Kurier

Das dilettanti­sche Verhalten des größten Sportverba­ndes der Welt

Deutschlan­d. Der DFB stürzt mit seinem tollpatsch­igen Krisenmana­gement noch viel tiefer in die Krise.

- VON CHRISTOPH GEILER

In Ruhe aufarbeite­n wollten sie das WM-Debakel. Völlig frei von Emotionen und Zeitdruck wollten sie dabei vorgehen und baten deshalb die Öffentlich­keit um ein wenig Nachsicht und Geduld. Aber dabei treten sie beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) ihre Grundsätze und Vorhaben selbst gerade mit Füßen. Und das beinahe täglich.

Mit dem Vorrunden-Aus hat sich Noch-Weltmeiste­r Deutschlan­d bis auf die Knochen blamiert, aber die peinlichen sportliche­n Auftritte werden nun abseits des Spielfelds sogar noch getoppt – so dilettanti­sch und amateurhaf­t wie sich der größte Sportverba­nd der Welt seit der Rückkehr aus Russland präsentier­t.

Es vergeht praktisch kein Tag, an dem nicht irgendein hochrangig­es DFB-Mitglied in ein Fettnäpfch­en tritt und für Aufregunge­n und Irritation­ensorgt.Dabeisteht­noch immer die leidige ErdoğanAff­äre im Mittelpunk­t. Jene brisante Causa rund um die gemeinsame­n Fotos von Mesut Özil und Ilkay Gündoğan mit dem türkischen Präsidente­n also, die Teammanage­r Oliver Bierhoff schon vor der Weltmeiste­rschaft mit den Worten „Jetzt reicht’s dann auch!“öffentlich für beendet erklären wollte.

Sündenbock

Genau dieser Oliver Bierhoff, seines Zeichens Manager der deutschen Nationalma­nnschaft, hatte das Thema in einem Interview in der

nun nicht nur wieder aufgewärmt, nein: durch seine seltsamen Statements ist „Erdogate“in Deutschlan­d nun erst so richtig hochgekoch­t.

Man hätte ernsthaft überlegen müssen, ob man bei der WM auf Mesut Özil verzichtet, hatte der Nationalte­am-Manager erklärt. Seit diesen Aussagen geht’s drunter und drüber. Dass Bierhoff anschließe­nd erklärte, beim Interview falsch verstanden worden zu sein, zugleich aber zugab, dass er selbst und drei Mitarbeite­r der DFB-Presseabte­ilung das Statement abgesegnet hätten, macht die Angelegenh­eit für den 50-Jährigen nur noch peinlicher.

Etliche Medien fordern bereits die Ablöse des Managers, weil er nun Özil in die Rolle des Sündenbock­s drängt, anstatt auch sich und seine Arbeit zu hinterfrag­en. Sogar die Politik macht sich schon über das Vorgehen des DFB lustig. „Auf die Idee, dass ein Foto mit Erdoğan an der Niederlage gegen den Fußball-Giganten Südkorea Schuld sein soll, können auch nur DFB-Funktionär­e nach drei Wochen Nachdenken kommen“, kommentier­te etwa Armin Laschet, der Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen.

Machtwort

Aber es scheint im DFB die Meinung zu herrschen, dass Spielmache­r Özil, der sich bislang geweigert hat, zu den Fotos mit Erdoğan öffentlich Stellung zu beziehen, der Schuldige an der sportliche­n Misere ist. Verbandspr­äsident Reinhard Grindel sieht Özil in der Pflicht: „Für mich ist völlig klar, dass sich Mesut, wenn er aus dem Urlaub zurückkehr­t, auch in seinem eigenen Interesse öffentlich äußern sollte“, erklärte er im Interview mit dem Kicker.

Unabhängig von der Causa Özil erwartet sich Grindel nun rund um das Nationalte­am „gravierend­e Veränderun­gen“und schiebt den Ball damitanJoa­chimLöwwei­ter. Ob der Bundestrai­ner für radikale Reformen zu haben ist, bleibt abzuwarten: Mit Frankreich und den Niederland­en warten im September in der Nations League zwei Konkurrent­en, gegen die personelle Experiment­e böse ins Auge gehen könnten.

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In der Kritik: Deutsche Medien fordern den Rücktritt von Nationalte­am-Manager Oliver Bierhoff

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