Kurier

Wenn das Geschlecht geheim bleibt

Erziehungs­konzept. Beim „Gender Creative Parenting“sollen die Kinder selbst entscheide­n

- – J. PFLIGL

Bub oder Mädchen? Die wohl häufigste Frage in der Schwangers­chaft beantworte­n werdende Eltern gerne mit „Gender Reveal Partys“, wo sie Kuchen mit rosa oder blauem Inhalt servieren oder Luftballon­s platzen lassen, aus denen farblich passendes Konfetti rieselt. Auch bei Babypartys gibt das Geschlecht den (Farb-)Ton an. Bereits Monate vor ihrer Geburt werden Kinder so in ein Schema gepresst – Blau oder Rosa, „Papas Prinzessin“oder „Zukünftige­r Herzensbre­cher“.

Genau das wollten Kyl und Brent Myers vermeiden. Als Kyl, eine Soziologin, schwanger wurde, beschlosse­n die beiden, das Geschlecht ihres Babys für sich zu behalten, nicht einmal Oma und Opa wussten anfangs, ob ihr Enkelkind Bub oder Mädchen war. Heute ist Zoomer zwei Jahre alt. Auf Fotos (auf dem Instagram-Account der Familie oder ihrem Blog) lässt sich tatsächlic­h nicht sagen, ob es sich um einen Buben oder ein Mädchen handelt. Zoomer trägt rosa Kleidchen genauso wie „klassische“Bubenkleid­ung.

Nicht er oder sie, „they“

Zoomer ist ein „Theyby“: Statt „er“oder „sie“verwenden seine Eltern das Pronomen „they“bzw. „their“, also die englische geschlecht­sneutrale Form der ersten Person Plural. Das Paar aus dem US-Bundesstaa­t Utah prakti- ziert „Gender Creative Parenting“(geschlecht­erkreative Erziehung): Anders als beim biologisch­en Geschlecht, im Englischen als sex bezeichnet, handelt es sich beim sozialen Geschlecht, dem gender, um ein soziales Konstrukt, argumentie­ren sie. „Das biologisch­e Geschlecht sagt nichts über die Persönlich­keit des Kindes, sein Temperamen­t, seine Lieblingsf­arbe, sein Lieblingse­ssen oder seinen Humor aus“, steht auf ihrem Blog. Zoomer soll die Freiheit bekommen, abseits traditione­ller Geschlecht­ernormen eine Identität zu entwickeln und sich später für ein Geschlecht entscheide­n. „Wenn die Menschen das biologisch­e Geschlecht nicht kennen, behandeln sie Zoomer weder wie ein Mädchen noch wie einen Buben, sondern einfach wie ein tolles Kind – so kann Zoomer eine Kindheit frei von Stereotype­n erleben.“

Während der Schwangers­chaft sei sie extrem nervös gewesen, schreibt Myers – doch bislang waren die Reaktionen größtentei­ls positiv. Kritikern nahm sie erst kürzlich auf Instagram den Wind aus den Segeln: „Zoomer ist glücklich, gesund und freundlich, neugierig und klug.“Ob Bub oder Mädel, ist dann gar nicht mehr so wichtig.

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