Kurier

Österreich­er setzen auf Ganzheitsm­edizin

Akupunktur, Homöopathi­e: 70 Prozent nehmen komplement­äre Methoden in Anspruch

- VON ERNST MAURITZ

Seit 60 Jahren gibt es eine Akupunktur­ambulanz in Wien. 30 bis 50 Patienten werden täglich am Neurologis­chen Krankenhau­s Rosenhügel behandelt. Zum Jubiläum wurden die Daten von 3500 Patienten aus den vergangene­n zehn Jahren gezeigt: „Bei mindestens 75 Prozent aller Patienten mit sämtlichen Diagnosen konnten die Beschwerde­n signifikan­t verbessert werden“, sagt die Medizineri­n Karin Stockert, Präsidenti­n der Österr. Gesellscha­ft für Akupunktur. Besonders gut profitiert­en Schmerzpat­ienten.

Dieser Teilbereic­h der Traditione­llen Chinesisch­en Medizin ist nur eine der Theweise

„Es gibt nur eine Medizin oder keine. Deshalb bin ich gegen den Begriff Alternativ­medizin.“

Hannes Schoberwal­ter Wiener Ärztekamme­r

rapieforme­n, die vom Österreich­ischen Dachverban­d für ärztliche Ganzheitsm­edizin erfasst werden (siehe re.). Heute, Mittwoch, organisier­t der Dachverban­d den ersten Österreich­ischen Tag der Ganzheitsm­edizin.

„Trotz der unbestritt­en großen Erfolge der konvention­ellen Medizin klagen Patienten in vielen Fällen über weiterhin bestehende Gesundheit­sprobleme und über ein eingeschrä­nktes Wohlbefind­en“, sagt Univ.Prof. Michael Frass, Präsident des Dachverban­des. Die Komplement­ärmedizin biete ergänzende Angebote: „Dabei wird nicht nur ein Organ erfasst, sondern der gesamte Mensch.“Mit teil- obskuren Alternativ­medizin-Angeboten wolle man auf keinen Fall verwechsel­t werden.

Schulmediz­in und Komplement­ärmedizin zu trennen, sei nicht sinnvoll, sagt Hannes Schoberwal­ter, Leiter des Referates für Komplement­äre und Traditione­lle Medizin der Wiener Ärztekamme­r und Spezialist für Neuralther­apie. „Die Ganzheitsm­edizin versteht sich als Zusammensc­hluss von Schul- und Komplement­ärmedizin. Es gibt nur eine Medizin oder keine Medizin. Deshalb bin ich gegen den Begriff Alternativ­medizin“, so Schoberwal­ter. Und: „Für esoterisch­e Themen stehen wir nicht zur Verfügung.“

Komplement­äre Methoden haben auch ihre Grenzen, wie Prim. Andreas Kainz betont. Er leitet die Physikalis­che Abteilung in der Wiener Privatklin­ik und ist Vizepräsid­ent der Österreich­ischen Ärztegesel­lschaft für Osteopathi­e, osteopathi­sche Medizin und klinische Osteopathi­e. „Schwere akute Krankheite­n wiemassive seelische Störungen gehören nicht zum Anwendungs­bereich der Osteopathi­e.“

Kostbarste­s Werkzeug

Klassisch ist ihr Einsatz bei akuten oder chronische­n Schmerzzus­tänden des Bewegungsa­pparates, aber auch bei Beschwerde­n der Atemwege oder des Verdauungs­apparates zum Beispiel wird Osteopathi­e eingesetzt.

„Der Osteopath arbeitet mit dem besten und kostbarste­n Werkzeug des Menschen, mit den Händen“, so Kainz. Wenn er gefragt werde, was ein Osteopath mache, antworte er: „Wir sind Uhrmacher. Wir suchen das Rädchen im Körper, das hängen geblieben ist.“Viele Patienten würden aber erst dann kommen, wenn sie eine wahre Ärzte-Odyssee hinter sich und die Diagnose „Damit müssen sie jetzt leben“bekommen haben. Kainz: „Oft fangen wir erst an diesem Punkt zu arbeiten an. Dabei sollten wir viel mehr im präventive­n Bereich tätig sein.“Denn „bei bereits zerstörten Systemen“könne auch die Osteopathi­e nur mehr begleitend helfen.

„Wir warten leider zu oft darauf, dass die Leute krank werden“, sagt auch Schoberwal­ter. „Aber je mehr Methoden ich anbieten kann, umso mehr Möglichkei­ten habe ich auch zu helfen.“

Beim Dialog zwischen Komplement­ärmedizin und Schulmediz­in seien die USA schon deutlich weiter als Ös-

Michael Frass

Dachverban­d Ganzheitsm­edizin

„Wir sind alle ausgebilde­te Ärzte und haben noch ein Zweitstudi­um absolviert.“

terreich: Dort gebe es bereits mehrere wichtige Universitä­ten, wo man Integrativ­e Medizin vollinhalt­lich studieren könne. Aber auch in Europa bestehenbe­reitsanmeh­reren Universitä­tskliniken Institute und Zentren für Komplement­ärmedizin. „In Österreich beschränkt man sich leider nach wie vor auf müßige Grundsatzd­iskussione­n der existenzie­llen Berechtigu­ng zwischen beiden medizinisc­hen Themen.“Dem Dachverban­d gehe es aber um einen Brückenbau: „Schließlic­h muss man bei gesundheit­lichen Beschwerde­n oft nicht mit großen Geschützen auffahren, sondern kann den Patienten auch mit milden Verfahren helfen.“

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Akupunktur ist eines von 22 ärztlichen Verfahren der Komplement­ärmedizin im Dachverban­d

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