Kurier

Unbeschwer­te Tage

Wie eine Patenfamil­ie Emily und ihre Mutter unterstütz­t.

- VON UWE MAUCH (TEXT) UND ELMAR GUBISCH (FOTOS)

Emily mag Seifenblas­en. Sie spielt auch gerne mit den Meerschwei­nchen und den Puppen der Puppenstub­e. Das schöne Haus im Süden der Stadt Graz samt Swimmingpo­ol mag sie natürlich auch. Aber am meisten freut sie sich an diesem Dienstag nachmittag, dass sie heute wieder mit Lennard spielen darf. Er ist der Sohn ihrer Patenfamil­ie und längst wie ein älterer Bruder zu ihr.

Ihre eigene Mutter liebt sie über alles. Aber so viel Kindheit kann Eva Überriegle­r ihrer bald 5-jährigen Tochter nicht bieten. Das liegt wohl an ihrer kleinen Wohnung in einem weniger netten Stadtteil von Graz, mehr noch an ihrer psychische­n und physischen Beeinträch­tigung.

An Dienstagen kann Frau Überriegle­r neuerdings etwas zur Ruhe kommen. Zu verdanken ist das Lennards Eltern, die eine Patenschaf­t für ihre Tochter übernommen haben. „Seit 27 Jahren“, erzählt die extrem magere Frau, „leide ich an Magersucht und Bulimie. Bei der Geburt von Emily wog ich gerade einmal 25 Kilogramm.“

Keine heile Welt, von der sie erzählt: „Ich zerbrach in der Pubertät an meiner Hochbegabu­ng als Geigerin und dem Erwartungs­druck, der daraus resultiert­e.“Es ist daher umso bemerkensw­erter, dass sie trotz chronische­r Krankheit ihr Pädagogik-Studium mit einem Magister-Titel abschließe­n konnte.

„Doch meine Krankheit ließ keine reguläre Beschäftig­ung zu.“Fügt sie schnell hinzu, während sich ihre Tochter dank der Patenfamil­ie und der Seifenblas­en wertvolle Zeit in einem unbelastet­en Umfeld verbringen darf.

Was die Patin schafft

Auch in durchwegs reichen Städten wie Graz können nicht alle Kinder bei Null starten. Das wissen auch Simone und Gernot Trummer. Die Eltern von Lennard kümmern sich liebevoll um Emily. Beide sind als Vertriebsm­anager in der zahnmedizi­nischen Branche tätig. Ihre Jobs fordern ihnen viel Energie ab, dafür bieten sie eine sehr solide finanziell­e Basis, um ihrem Sohn eine möglichst unbeschwer­te Kindheit zu ermögliche­n.

„Wir wollten etwas von unserem Glück zurückgebe­n“, erzählt die Mutter des Sechsjähri­gen. Deshalb hat sie sich sofort gemeldet, als die gemeinnütz­ige GmbH „Miteinande­r leben“Patenfamil­ien suchte. 25 solcher Paten und Patinnen gibt es jetzt, bis dato nur im Raum Graz. Dort schließen sie eine Lücke in der emotionale­n Versorgung von Kindern psychisch belasteter Eltern.

Seit Oktober des Vorjahrs darf Emily Lennard regelmäßig besuchen. Ihre Mutter sagt erleichter­t: „Sie hat damit einen Sechser im Lotto gewonnen, und auch für mich ist unsere Patenfamil­ie eine echte Entlastung.“Lennards Mutter sagt wiederum: „Natürlich haben wir als Familie eine zusätzlich­e Verantwort­ung auf uns genommen. Aber dafür sind die Emily und die Eva eine echte Bereicheru­ng für unser Leben.“

Ein gemeinsame­r Weg

Pate oder Patin kann man nicht von heute auf morgen werden, betont Stefanie Weikhard, die das Grazer Patenfamil­ien-Projektvon„Miteinande­r leben“leitet. Die Schulung sei intensiv und dauert mehr als 40 Stunden. „Auch um sicher zu gehen, dass sie gut vorbereite­t an die Sache herangehen.“

Zwar ist der wöchentlic­he Aufwand der Trummers einigermaß­en überschaub­ar, die Zeit arbeitet aber auch hier für die Kinder. Schon heute spielen Emily und Lennard wie älterer Bruder und jüngere Schwester miteinande­r. Es wäre daher schon nach den wenigen gemeinsam verbrachte­n Nachmittag­en ein harter Schlag für die beiden Kinder, würden es sich die Eltern anders überlegen.

Doch davon kann bis auf Weiteres keine Rede sein, im Gegenteil. Simone Trummer erklärt: „Es ist auch gut, dass unser Sohn spielerisc­h lernt, dass manches im Leben nicht selbstvers­tändlich ist.“

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 ??  ?? Ausflug in eine unbeschwer­te Kindheit im Grünen: Emily mit ihrer Mutter Eva Überriegle­r zu Besuch bei Lennard, Simone und Gernot Trummer (von links nach rechts)
Ausflug in eine unbeschwer­te Kindheit im Grünen: Emily mit ihrer Mutter Eva Überriegle­r zu Besuch bei Lennard, Simone und Gernot Trummer (von links nach rechts)
 ??  ?? Kinder unter sich: Die Spielgefäh­rten wurden schnell zu Vertrauten
Kinder unter sich: Die Spielgefäh­rten wurden schnell zu Vertrauten

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