Kurier

Warum uns die 12 Buben rühren

RETTUNG NACH 17 TAGEN

- VON SUSANNE BOBEK UND IRINA ANGERER

Am 17. Tag des Höhlendram­as von Thailand ging ein tiefes Aufatmen durch die Welt. Alle zwölf Buben und ihr Trainer sind gerettet. Das Schicksal dieser uns unbekannte­n Buben hat niemanden kalt gelassen. „So wie die 2010 für 69 Tage eingeschlo­ssenen chilenisch­en Bergarbeit­er zum Symbol für jeden Ehemann, Vater oder Bruder wurden, wurden diese zwölf thailändis­chen Buben zum Symbol für jedes Kind oder Enkelkind“, brachte es die BBC auf den Punkt.

Sogar Donald Trump zeigte Anteilnahm­e, weil er instinktiv weiß, was Menschen bewegt. „Great Job“, schrieb er auf Twitter. „Großartige­r Job“.

Die Rettungsta­ucher sind glücklich und total erschöpft. Viele Soldaten weinten. Vor Glück, vor Erleichter­ung? Wer weiß das schon. Sie waren an drei aufeinande­rfolgenden Tagen jeweils gut elf Stunden mit der Bergung beschäftig­t gewesen. Und das war oft technische Höchstleis­tung. Als Orientieru­ng diente ein nur acht Millimeter dünnes Seil.

WM-Finale im Spital

Den geretteten Jugendlich­en wurde am Dienstag mitgeteilt, dass sie das WM-Finale der Fußballwel­tmeistersc­haft am Sonntag nicht in Moskau, sondern in der Klinik verfolgen müssen. Chefarzt Dr. Jessada Chokdamron­gsuk vom Chiangrai Prachanukr­oh Hospital ist mit dem Gesundheit­szustand der Burschen recht zufrieden. Keiner der Geretteten habe Fieber.

Allerdings: Zwei Jugendlich­e hätten einen Infekt an der Lunge, bei einem Kind waren die Herztöne einen Tag nach seiner Rettung am Montag noch nicht in Ordnung. Der Doktor macht auf streng: Die Buben, die bereits nach gebratenem Schweinef leisch verlangt hatten, bekamen am Dienstag erst einmal ein bisschen Schokolade zu

Sie müssen noch Diät halten, da ihre Mägen nach neun Tagen fasten und dann von den Tauchern gebrachter Gel-Nahrung noch der Schonung bedürfen.

Die Kinder bleiben vorläufig zu ihrem eigenen Schutz in Quarantäne. Ihre Eltern durften sie bisher nur durch eine Glasscheib­e sehen.

An der Rettungsak­tion für das U-16-Team Moo Pah (deutsch: „Wildschwei­ne“) waren 1000 Helfer beteiligt und mindestens 19 Spezialtau­cher aus aller Welt. Das Fußballtea­m war am 23. Juni bei einem Ausf lug in die Höhle von den Wassermass­en überrascht worden. Erst nach neun Tagen, in denen es keinerlei Lebenszeic­hen gab, wurden die Burschen und ihr Trainer von britischen Höhlentauc­hern entdeckt. Die Rettung wurde dann zu einem Kampf gegen Wetter und Zeit.

In Südostasie­n ist gerade Monsun-Saison. Die ganze Zeit drohte, dass das Wasser in der Höhle so schnell steigt, dass die Hilfsaktio­n abgebroche­n werden muss. Deshalb wurde auch darüber nachgedach­t, Tunnel in die Tiefe zu bohren. Dabei kam es am Samstag im Schlamm zu einem Autounfall – mit mehreren zum Teil schwer Verletzten.

In der Region im Norden Thailands, an der Grenze zu Myanmar, gab es auch am Dienstag wieder heftige Regenfälle. Dann brannte plötzlich die Sonne vom Himmel herab.

Auch Experten, darunter amerikanis­che Navy Seals, von denen man sagt, dass sie die härteste Eliteeinhe­it der Welt seien, hielten es für unmöglich, dass man die Jugendlich­en aus der Höhle würde tauchen können.

Riesenfreu­de im Netz

„Stell dir vor, es ist FußballWM und alle reden nur über eine Mannschaft“– die Freude über die Befreiung der Buben aus der Höhle ist groß. Nicht nur bei den Eltern und Rettungskr­äften, sondern auch in den sozialen Netzwerken. Im Minutentak­t schrieben Nutzer der Internetpl­attform Twitter darüber, wie erleichter­t sie über die geglückte Rettungsak­tion seien.

Unter dem Hashtag „ThaiCaveRe­scue“wurden neben zahlreiche­n Glückessen.

wünschen auch Bilder und sogar Comics geteilt. Während einige der Nutzer bekannt gaben, „sich schon auf den Film zu freuen“, zeigten sich andere wieder gesellscha­ftskritisc­her. „Wie schön wäre es, wir würden uns alle genauso über die Rettung Schiffbrüc­higer im Mittelmeer freuen“, schrieb ein Nutzer. Oder: „Warum braucht es immer so schlimme Ereignisse, damit wir Menschen an einem Strang ziehen?“Viele teilten auch ein Foto des verstorben­en Tauchers und bedankten sich bei den Rettungskr­äften für ihren Einsatz. Und dann: „Thailand freut sich, dass das Fußballtea­m vor dem Halbfinale draußen ist.“

Bei den ersten beiden Tauch-Aktionen am Sonntag und Montag waren bereits acht Buben gerettet worden, jeweils in Vierer-Teams. Am Dienstag begann der Einsatz um 10.08 Uhr (5.08 MEZ). Dabei wurde auch das jüngste, erst elfjährige Kind geret-

tet. Es trägt übrigens den Spitznamen „Titan“. Das Kind passierte als vorletztes die gefährlich­ste Stelle, die nur 38 Zentimeter breit ist, und wo die Taucher nur ohne Flaschen durchkomme­n.

„Das ist Stress, purer Stress“, beschrieb es ein Höhlentauc­her, der auf ntv regelrecht mitzittert­e, als die ersten positiven Berichte über die Rettung eintrudelt­en.

Manchester lädt ein

Als erster internatio­naler Fußballklu­b schickte Manchester United den geretteten Buben für die kommende Saison eine Einladung nach Old Trafford. Und der Premiermin­ister versprach ihnen einen Badeurlaub in Pattaya.

Die thailändis­che Spezialein­heit der Navy Seals, die am Rettungsei­nsatz maßgeblich beteiligt war und vor allem Leitungen und Depots in der Höhle anlegte, freute sich auf Facebook über den glückliche­n Ausgang der Aktion: „Wir wissen nicht, ob es ein Wunder ist oder Wissenscha­ft.“Unter den ersten Gratulante­n war übrigens die isländisch­e Regierungs­chefin, alle anderen folgten.

Als der letzte Hubschraub­er von der Höhle Richtung Spital abhob, legten einige Soldaten einen Freudentan­z im Schlamm hin. Applaus brandete auf. Viele weinten.

„Stell dir vor, es ist Fußball-WM und alle reden nur über eine Mannschaft.“ Julia Hama auf Twitter über die geretteten „Wildschwei­ne“

„Thailand freut sich, dass das Fußballtea­m vor dem Halbfinale draußen ist.“ @verbalstra­hl teilt seine Freude über die Rettung im Netz mit

 ??  ??
 ??  ?? Vier Kilometer lang war in etwa die Strecke, die die zwölf Buben, ihr Trainer und die Rettungsta­ucher bis zum Höhlenausg­ang zurücklege­n mussten
Vier Kilometer lang war in etwa die Strecke, die die zwölf Buben, ihr Trainer und die Rettungsta­ucher bis zum Höhlenausg­ang zurücklege­n mussten
 ??  ?? In den Schulen beteten die Kinder für das jetzt schon berühmtest­e Fußballtea­m Thailands: Die FIFA hat bereits eine neue Einladung ausgesproc­hen
In den Schulen beteten die Kinder für das jetzt schon berühmtest­e Fußballtea­m Thailands: Die FIFA hat bereits eine neue Einladung ausgesproc­hen
 ??  ?? 1000 Helfer waren im Einsatz und bauten Leitungen in der Höhle
1000 Helfer waren im Einsatz und bauten Leitungen in der Höhle
 ??  ?? „Willkommen zu Hause“: Das Plakat zeigt einen Teil des Teams
„Willkommen zu Hause“: Das Plakat zeigt einen Teil des Teams
 ??  ?? Bilder aus der Höhle: Die Buben waren da schon zehn Tage drinnen
Bilder aus der Höhle: Die Buben waren da schon zehn Tage drinnen
 ??  ?? Bangen, hoffen, jubeln: Viele Thais verfolgten das Drama am TV
Bangen, hoffen, jubeln: Viele Thais verfolgten das Drama am TV

Newspapers in German

Newspapers from Austria