Kurier

D-Day für die Atomenergi­e

Hinkley Point. Mit dem Gerichtsen­tscheid über Subvention­en für das britische AKW steht oder fällt Europas Atomkraft.

- IRMGARD KISCHKO

Es wird in jedem Fall ein Urteil, das Europas AtomLobby nicht kalt lassen wird: Heute, Donnerstag, entscheide­tderEuropä­ischeGeric­htshof in erster Instanz über die Zulässigke­it von Subvention­en für den Neubau des Atomkraftw­erks Hinkley Point in Großbritan­nien.

Urteilt das Gericht pro Subvention, ist das ein Freibrief für die Atomindust­rie, neue AKW zu errichten, auch wenn sie sich auf Jahrzehnte hinaus nicht rechnen. Ist das Gericht dagegen, wäre der AKW-Neubau in Europa beendet. Möglich ist auch, dass die Briten zurück zum Start geschickt werden und neuerlich um eine Fördergene­hmigung ansuchen müssen. Mit dem Brexit können sich die Briten nicht aus diesem Prozess hinaussteh­len – zumindest nicht, wenn sie Zugeständn­isse von der EU wollen.

Oberösterr­eichs Landesrat Rudi Anschober (Grüne) fiebert dem Urteil sichtlich entgegen. Immerhin war er es, der die Initiative ergriff und 2015 die Bundesregi­erung überzeugte, beim Europäisch­en Gericht gegen die Milliarden-Förderung für Hinkley Point zu klagen. Gut ein halbes Jahr zuvor hatte die EU-Kommission den Briten nämlich die Genehmi- gung für die Beihilfen gegeben. 113 Euro je Megawattst­unde Strom plus Inf lationsaus­gleich würde dem Atomkraftw­erk 35 Jahre lang als gesicherte­r Abnahmepre­is – bezahlt von den Stromkunde­n – zugesagt. Das ist in etwa das Doppelte des aktuellen Großhandel­spreises für Strom in Europa. Der Bau neuer Atomkraftw­erke ist derart teuer, dass er sich eben erst mit Strompreis­en deutlich über 100 Euro je Megawattst­unde rechnet.

In die Jahre gekommen

Europas Atomkraft-Branche droht aber auch von anderer SeiteUngem­ach.Dadiemeist­en Kernkraftw­erke inzwischen auf das Ende ihrer Betriebsda­uer zusteuern, sich Neubauten aber nicht rechnen, versuchen die Betreiber, Genehmigun­gen für längere Laufzeiten zu bekommen. „Im Durchschni­tt sind die Kraftwerke 32 Jahre alt“, sagt Anschober. Über die „Allianz der Regionen für einen europaweit­en Atomaussti­eg“will er durchsetze­n, dass Kernkraftw­erke in Europa grundsätzl­ich nicht länger als 40 Jahre in Betrieb sein dürfen. Und er will verpflicht­ende grenzübers­chreitende Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n bei Laufzeitve­rlängerung­en erreichen. Regionen mit 50 Millionen Einwohnern hätten sich dieser Initiative bereits angeschlos­sen, sagt Anschober.

Warum Europas Atomindust­rie trotz fehlender Wirtschaft­lichkeit an AKWBauten festhält, glaubt die deutsche Atomexpert­in Eva Stegen zu wissen. „Im Grunde geht es um militärisc­he Atom-Projekte. Um diese aufrecht zu erhalten, brauchen sie zivile Anwendunge­n“, betont sie. Eine Studie der Universitä­t Sussex hat dies auch als Grund für den Bau von Hinkley Point genannt. Schließlic­h fordert Anschober noch, dass die Regierung während der EU-Ratspräsid­entschaft eine Reform des Euratom-Vertrags startet. Dazu soll eine Konferenz in Wien abgehalten werden. Immerhin stehe eine EuratomRef­orm im Regierungs­programm.

 ??  ?? Österreich­s Anti-Atom-Kurs könnte auch in Europa einiges bewegen
Österreich­s Anti-Atom-Kurs könnte auch in Europa einiges bewegen

Newspapers in German

Newspapers from Austria