Kurier

Süchtige warten zu lange auf Therapie

Drogen. Kärnten mit heuer bereits zehn Toten als Hotspot, bundesweit entspannt sich die Lage allerdings

- VON THOMAS MARTINZ

192 181192 30, 24, 38, 36, 42, 20, 22, 34, 18 und 36 Jahre alt waren jene Kärntner Männer, die heuer bereits an einer Überdosis Drogen gestorben sind. Der Letzte wurde am Sonntag im Klagenfurt­er Stadtteil Fischl tot aufgefunde­n und war bisher noch nicht Inhalt einer Polizeiaus­sendung. Diese häufen sich in den vergangene­n Wochen im Zusammenha­ng mit Drogentote­n. Im Vorjahr waren im südlichste­n Bundesland sechs zu verzeichne­n, der Schnitt der letzten Jahre liegt bei acht; mehr als zehn gab es noch nie. Heuer ist diese Zahl bereits jetzt erreicht.

Ein heikles Thema, das in Kärnten die Politik auf den Plan ruft, ein Sonderland­tag zur Causa wird vorbereite­t. Fachleute der Stadt Klagenfurt und vom Land sowie Ärzte wollen sich nicht die Finger verbrennen, sprechen bei KURIER-Anfragen nur anonymisie­rt über mögliche Ursachen. „Die Klagenfurt­er Drogenambu­lanz geht über, obwohl die Zahl der Therapiepl­ätze von 400 auf 700 erhöht wurde.“„Im Land gibt es nur vier Betten für den stationäre­n körperlich­en Entzug. Die Wartezeit für jemanden, der sich für den Entzug entscheide­t, beträgt vier Monate. In denen schwebt der Süchtige in Lebensgefa­hr.“„Es ist eine Schweinere­i, dass es keine Drogenentz­ugsstation gibt.“Das sagen Experten, die man nicht namentlich zitieren darf.

Der Handel mit den verbotenen Substanzen floriert, auch die Todesdroge „Pinki“ist hier stets erhältlich und forderte 2017 mindestens ein 88 89 224 222 101 93 Kärntner Opfer. Konsumente­n unterschät­zen häufig, dass die Drogen kaum gestreckt sind.

Steigerung: 33 Prozent

„Die Slowenien-DrogenSchi­ene nach Kärnten hat sich etabliert, dazu kommt ein starker Handel durch Schwarzafr­ikaner in Klagenfurt“, sagt Gottlieb Türk, Leiter des Landeskrim­inalamts.

2017 habe es im Bereich Suchtgiftk­riminalitä­t in Kärnten 2210 Anzeigen gegeben, das sei ein Allzeitrek­ord und eine Steigerung gegenüber 2016 um 33,2 Prozent. „Das bedeutet aber nicht, dass Kärnten eine Drogenhoch­burg ist, sondern dass die Polizeiarb­eit effiziente­r wurde. 100 Drogenfahn­der sind im Einsatz, die Zahl der Ermittler in Klagenfurt wurde kürzlich verdoppelt“, betont Türk. Vergleichs­zahlen aus anderen Bundesländ­ern gebe es noch nicht, heißt es vom Bundeskrim­inalamt.

Paradebeis­piel Wien

Dafür gibt es Zahlen von Drogentote­n: Die erreichten in Österreich im Jahr 2011 mit 237 einen Höchststan­d, sind seitdem in allen Bundesländ­ern gesunken. 2014 waren es gesamt 140, im Vorjahr 96. Paradebeis­piel ist Wien: 2011verzei­chnetedieH­auptstadt 111 Drogentote, inzwischen weniger als ein Drittel davon. „Opiate sind nicht mehr populär. Diese Szene altert, es kommen kaum Junge nach“, erklärt Alfred Uhl vom Kompetenzz­entrum Sucht der „Gesundheit Österreich“. Außerdem sei die Substituti­onsbehandl­ung ausgeweite­t worden. Der Süchtige muss sich den Stoff Gottlieb Türk Landeskrim­inalamt Kärnten Michael Musalek Psychiater also nicht mehr in der Illegalitä­t besorgen.

Während die Zahl der Totendurch­Drogen-Überdosier­ungen sinkt, wird jene der Toten durch Alkoholmis­sbrauch nicht gemessen. Daher fehlen Statistike­n zur Todesursac­he Alkohol. Im Totenschei­nkannnurei­nGrund angegeben werden – die Liste der Ursachen ist aber breit gefächert: von Leberzirrh­ose über Psychosen bis zu Krebs. Oder Suizid. „Das Selbstmord­risiko ist bei Alkoholkra­nken 15-mal höher“, erklärt Michael Musalek, Experte für die Behandlung von Suchtkrank­heiten. Schätzunge­n wagt er zur Zahl der Abhängigen: 350.000 Österreich­er seien als „alkoholkra­nk“ einzustufe­n, 650.000 würden einen „problemati­schen Umgang“mit Alkohol pflegen. Die Zahlen seien über die vergangene­n Jahre konstant geblieben, Niederöste­rreicher, Burgenländ­er, Steirer und Oberösterr­eicher würden Hochprozen­tigem „aufgrund der Verfügbark­eit“eher zusprechen.

Ein Punkt falle im Kontext mit Alkoholkon­sum auf: „Bei Frauen gibt es massive Zuwachsrat­en. Das Verhältnis zwischen alkoholkra­nken Frauen und Männern war vor Jahren 1:4, jetzt ist es 1:3,5“, sagt Musalek. Frauen mit einem Schwips am Nachmittag seien gesellscha­ftlich akzeptabel geworden, nennt er einen Hauptgrund.

„100 Drogenfahn­der sind in Kärnten im Einsatz, die Zahl der Ermittler in Klagenfurt wurde kürzlich verdoppelt. Aber wir sind keine Drogenhoch­burg.“

„Frauen mit Schwips am Nachmittag sind gesellscha­ftlich akzeptiert. Allgemein gilt: Die Selbstmord­rate bei Alkoholkra­nken ist 15-mal höher.“

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Grafik: Tichy / Foto. iStock / Quelle: STATISTIK AUSTRIA
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