Dario Fo: Wenn man sich nimmt, was einem zusteht
Los geht es im Odeon (21 Uhr) mit einer Performance von Dave St. Pierre, der in seinem zweistündigen Solo (!) „Néant Void“die Absurdität der gesellschaftlichen wie politischen Gegenwart neu vermessen wird. Am Freitag sind dann der Musiker Andreas Spechtl und der Mühlheimer-Theater-Preisträger Thomas Köck an der Reihe – sie werden mit dem mumok eine der Hauptspielstätten des Festivals mit Klängen und Worten bespielen.
Die Einheit zwischen Musik und Tanz beschwört ab Samstag Starchoreografin Anne Teresa De Keersmaeker mit ihrer international gefeierten Arbeit „Mitten wir im Leben sind“im Burgtheater. Keersmaeker, die auch selbst tanzt, und der fabelhafte Cellist Jean-Guihen Queyras widmen sich dabei den Cello- Suiten von Johann Sebastian Bach. Eine sinnliche Reise in das Unterbewusstsein.
Vermessung der Zeit
Schwerpunkte im diesjährigen Festival sind der kanadischen Choreografin Marie Chouinard sowie der amerikanischen Künstlerin Meg Stuart gewidmet. Anlässlich ihres 40-jährigen Schaffensprozesses zeigt Chouinard – sie ist auch Leiterin der Tanzbiennale von Venedig – im Volkstheater an drei Abenden ausgewählte „Solos and Duets“. Also quasi eine neue tänzerisch-sinnliche Vermessung der Zeit.
„Solos and Duets“ist auch der Titel der Hommage an die amerikanische Tänzerin und Choreografin Meg Stuart, die mit ihrer Compagnie Damaged Goods mit dem Klassiker „Blessed“und (im Arsenal) gemeinsam mit Mark Tomp- Selbstverständlich gibt es auch heuer wieder die Reihe [8:tension], in deren Rahmen neun junge Choreografinnen und Choreografen ihr Bewegungsvokabular der Zukunft präsentieren. Auch hier sind künstlerische Überraschungen mehr als einkalkuliert.
Denn das von Intendant Karl Regensburger programmierte Festival ist weit mehr als ein „Abspielstation“großer Produktionen, sondern ein lebendiger Diskurs über die Kunst der Gegenwart und der Zukunft.
Das Programmheft des Filmhof Wein4tel in Asparn an der Zaya zu „Bezahlt wird nicht!“von Dario Fo ist erbärmlich. Man machte sich gar nicht erst die Mühe, die Inserate in ein redaktionelles Umfeld zu betten, sondern zeigt nur Szenenfotos – 35 an der Zahl. Auch der Text zum Inhalt ist keine Offenbarung: „Bezahlt wird nicht!“sei „eine turbulente Spitzenkomödie“. Auf das Wesen der „Farce“– und genau eine solche ist das immer absurder werdende Stück des italienischen Literaturnobelpreisträgers – wird mit keinem Wort eingegangen. Und man erklärt nicht, in welcher Zeit, unter welchen sozialpolitischen Umständen „Bezahlt wird nicht!“entstanden ist.
Auch wenn Fo hinreißend den Kapitalismus und den ohnmächtigen Staat anprangert: Seine Farce spiegelt den Geist der 70er-Jahre wider. Sie in die Gegenwart zu übertragen, ist kaum möglich. Regisseurin Viktoria Schubert,
Kritik.
die zugleich die andauernd notlügende Antonia spielt, ergänzte den Plot daher auch nur um einige aktuelle Bezüge wie Papst Francesco und Analogkäse; zudem übt sie treffend Kritik an der EU-Förderpolitik und den Kürzungen der Sozialleistungen.
Der Rest sind wunderbare Dialoge und viel Slapstick: Untermalt von Falcos „Auf der Flucht“machen es die Arbeiter, die von ihrem Lohn nicht einmal die Miete bezahlen können, den Reichen nach: Sie nehmen sich, was ihnen zusteht (eine Anspielung auf die SPÖ-Propaganda fehlt leider) – und klauen Lebensmittel bzw. alles, was ihnen unter die Finger kommt. Den Abend trägt Fritz Hammel als großartig naiver Giovanni, der doch immer die richtigen Fragen stellt. Intendant Michael Rosenberg (als Luigi) und Stefan Altenhofer (in mehreren Rollen) schlagen sich tapfer. KURIER-Wertung: