Das Erfolgsgeheimnis von Cic und Vic
Kroatien, 4,171 Millionen! Nein. Nicht von Dollars, Pfund oder Euros, die der zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilte (flüchtige) kroatische Fußballstrippenzieher und ehemalige Dinamo-Präsident Zdravko Mamic veruntreut hatte, ist hier die Rede, sondern von der Einwohnerzahl.
Die vorwurfsvolle Frage, warum es ein Land, in dem nur halb so viele Menschen wie in Österreich wohnen, ins Finale schafft, werden sich heimische Fußballer zumindest bis zur nächsten WM immer wieder anhören müssen. Doch ohne die Kicker in Schutz nehmen zu wollen, können diese kontern:
Warum sind Kroaten in sämtlichen Mannschafts-Ballsportarten Weltklasse?
Warum haben als erste Europäer die kroatischen Basketballer Skojan Vrankovic und Drazen Petrovic den Durchbruch in der NBA geschafft?
Warum sind Kroaten regelmäßig in der Tennisweltrangliste (aktuell 5. Marin Cilic) weit vorne vertreten?
Warum ist die Kroatin Janica Kostelic, deren Bruder Ivica 2011 als letzter alpiner Allrounder vor Serien-Sieger Marcel Hirscher den Gesamtweltcup gewonnnen hatte, die erfolgreichste Skifahrerin der Olympiageschichte?
An einem optimalen skitauglichen Gelände vor ihrer Haustür lag’s nicht. Vielmehr konnten Wille und Glaube gepaart mit Talent und extremem Nationalstolz Berge versetzen.
Auch Fußballer finden in Kroatien nicht bessere Möglichkeiten als hierzulande vor. Im Gegenteil.
Schwache Liga
Von modernen Stadien wie sie Red Bull Salzburg, Rapid und ab sofort auch die Wiener Austria besitzen, können die wenigen Topklubs (Ausnahme Hajduk Split) nur träumen. Zudem ist die österreichische Liga wirtschaftlich ungleich besser aufgestellt, ja sogar zugkräftiger, während viele Spiele in der obersten kroatischen Spielklasse kaum mehr als 1500 Zuschauer anlocken.
Aufschlussreicher fällt ein Lokalaugenschein bei Wiener Ball-Käfigen aus. Nicht nur am Margaretengürtel rennen fast ausschließlich Cic und Vic (plus türkischstämmige Buben) dem runden Spielgerät hinterher.
Wie Serben und Bosnier haben junge Kroaten das Balltalent und ältere kroatische Manager den Geschäftssinn in den Genen. Dementsprechend intensiv entwickelte sich (das leider nicht immer seriöse) ex-jugoslawische Exportgeschäft.
So hat sich Luka Modric bei seinen Transfers (von Dinamo Zagreb via Tottenham London zu Real nach Madrid) zu sehr dem berüchtigten Memic anvertraut. Derselbe schmächtige Modric, der nach seinem seinem Champions-LeaguePokalgewinn mit Real im Falle eines WM-Finalsieges auch Weltfußballer des Jahres werden könnte, ehe ihm in der Heimat der Prozess gemacht wird.
Pokal oder Häf’n
Noch zwei Wochen vor der WM hatte Kroatiens Teamkapitän Modric erfahren, dass ihm wegen falscher Zeugenaussage (zugunsten von Memic) eine hohe Gefängnisstrafe droht.
Noch zwei Tage nach dem WM-Start wurde Milan-Legionär Nikola Kalinic von Teamchef Zlatko Dalic heimgeschickt, nachdem der eigenwillige Stürmer seinen Eintausch im Gruppenspiel gegen Nigeria verweigerte hatte.
Doch anders als im deutschen Team erzeugte Reibung unter Kroaten Energie.