Kurier

Die Ballmächti­gen und die

WM-Finalist. Sehr viele Kroaten verlassen ihre Heimat. Dennochist­das4,2-Millionen-LandinderW­eltklasse,vor allem in den Ballsporta­rten. Was sie anders und besser machen als andere, wie zum Beispiel die Österreich­er.

- VON MIRAD ODOBASIC UND ALEXANDER STRECHA

Die rhetorisch­e Frage hört man hier immer wieder. „Ich soll in fünf Jahren von 2000 Kuna Pension monatlich leben. Wie, bitte, soll das gehen?“Goran D. nuckelt an seinem kleinen Schwarzen, der in dieser Strandbar zwölf Kuna kostet. Der Meeresblic­k hilft dem Chefrezept­ionisten nicht, seine Zukunftsso­rgen loszuwerde­n. Auch nicht die WM-Euphorie, die den Campingpla­tz Ostro nahe Rijeka heimgesuch­t hat.

„Die WM geht ebenso wie eine Badesaison vorbei, der tägliche Überlebens­kampf bleibt uns aber erhalten“, weiß der 60-jährige Goran D., der im Monat 3000 Kuna, umgerechne­t 450 Euro, verdient – in einem Land, in dem die Unterhalts­kosten längst denen in der EU angepasst sind. Nur aufgrund seines Alters wird er daheim bleiben.

Exodus

Bereits seit Jahren erlebt Kroatien einen regelrecht­en Exodus. Die Jungen verlassen fluchtarti­g das Urlaubslan­d. Vor allem im Osten des Landes, in Slawonien, läuten die Alarmglock­en. „Die Heimatbesu­che fallen mir immer schwerer. In meinem Heimatdorf sind nur Greise geblieben“, beklagt die in Wien lebende Ruzica K. die deprimiere­nden Zustände in der an Bosnien angrenzend­en Region „Županjska Posavina“. Aus dieser Gegend stammt übrigens auch Halbfinal-Held Mario Mandzukic, der sich wie viele seiner im Ausland lebenden Landsleute regelmäßig an diversen Sammelakti­onen beteiligt.

Nicht nur die „normalen“ Bürger gehen vermehrt weg aus Kroatien, vor allem die Profifußba­ller zieht es seit vielen Jahren in die großen Ligen Europas.

„Die Kicker wissen, dass sie über den Sport viel im Leben erreichen können“, erzählt Nenad Bjelica, aktuell Trainer von Dinamo Zagreb. Der ehemalige Wolfsbergu­nd Austria-Trainer weiß, wovon er spricht, spielte er doch selbst in der kroatische­n Liga für Osijek und wurde zu Kroatiens Fußballer des Jahres 2000 gewählt.

Für Kroatien absolviert­e er neun Länderspie­le, nahm an der EURO 2004 teil. Jetzt hilft er als Trainer den Nachwuchsk­ickern bei deren Karrieren. „Die Talente opfern auch viel und investiere­n sehr viel in ihre Karriere. Sie sind sich dessen bewusst, dass sie das tun müssen, um es in eine der großen Ligen Europas zu schaffen.“

Teamsportl­er

Der Kroate ist traditione­ll ein Teamsportl­er. „Österreich ist dagegen in den individuel­len Sportarten stärker. Bei uns trainieren die Kinder von klein auf die Mannschaft­ssportarte­n wie Fußball, Handball, Basketball, Volleyball oder Wasserball. Die Ausbildung ist auf einem sehr hohen Niveau, im Fußball bei Dinamo, bei Hajduk Split oder Osijek.“Zagreb verkaufte vor kurzem zwei Talente an Stuttgart und Roma. „Wir haben weitere drei, die demnächst den Sprung ins Ausland schaffen werden“, erzählt Bjelica.

Die Ballsport-Tradition besteht nicht erst seit der Existenz Kroatiens als Land. „Das rührt schon aus der Zeit davor“, sagt der 46-Jährige, der vor allem den Charakter und die Mentalität der Sportler her vor hebt. „Kroaten sind grundsätzl­ich sture Leute“, lacht er. „Aber dadurch sind sie auch sehr ehrgeizig und können sich in eine Aufgabe verbeißen. Wenn sie etwas erreichen wollen, dann kämpfen sie dafür bis zum Umfallen.“Wie bei dieser WM schon bei drei Verlängeru­ngen und zwei Elfmetersc­hießen zu sehen war.

Ballmächti­ge

Auch abseits des Königs des Sports regiert die Ball-Macht Kroatien. Die Handballer enttäuscht­en zwar bei der Heim-EM (Fünfter), holten aber zuvor WM- und Olympia-Gold. Auch die Basketball­er bekamen in Übersee keine Körbe. In der NBA waren in der abgelaufen­en Saison fünf Kroaten Leistungst­räger. Bei Olympia scheiterte­n die Kroaten erst in einem heiß umkämpften Duell im Viertelfin­ale an Serbien. Im Volleyball sind zumindest die Damen weltweit in den Top Ten, die Herren Top 20. Auch mit der Filzkugel sind die Kroaten top. Auch, wenn es in Wimbledon zuletzt nicht gut lief, Marin Cilic und Borna Coric sind Weltklasse.

Aber nicht nur mit den Bällen können die Kroaten umgehen. Bei den Sommerspie­len in Rio holte das kleine Land fünf Mal Gold,drei Mal Silber und zwei Mal Bronze. Zwei Goldene gab’s davon in der Leichtathl­etik (Diskusund Speerwurf).

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Aushängesc­hild: Luka Modric ist einer der Trümpfe des WM-Finalisten. Der Real-Star stammt aus Zadar
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Insider: Nenad Bjelica ist aktuell Trainer von Dinamo Zagreb
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