Kurier

Es wird schwerer

- BARBARA KAUFMANN barbara.kaufmann@kurier.at

Es wird schwerer. Für jene, die für Respekt eintreten, wie sie es ihr Leben lang getan haben, weil es auch nicht anders geht. Respekt vor dem anderen und Respekt im Umgang miteinande­r. Aber Respekt ist eine Ausschussw­are geworden, die in den Wühlkisten verstaubt.

Es wird schwerer. Für jene, die abwägen, die nach Argumenten suchen. Für die Zweifler, die nicht an einfache Lösungen glauben. Für die Vorsichtig­en, die Umsichtige­n, diejenigen, die an Menschlich­keit glauben. Für jene, die noch glauben. Es wird schwerer für jene, die es ohnehin schon schwer haben. Die täglich kämpfen müssen, um zu überleben. Die Kinder zu ernähren, die Miete zu zahlen, die Pflege der Eltern zu stemmen. Es wird schwerer für jene, die dafür eintreten, ihnen beizustehe­n. Sie nicht allein zu lassen, nicht sich selbst zu überlassen, nicht wegzusehen. Die an die Gemeinscha­ft glauben, weil es nur gemeinsam geht.

Die Pöbler bestimmen den Ton. Sie brüllen ihre Parolen in Kameras, in Mikrofone, sie prügeln sie in ihre Tastatur. Sie schlagen verbal um sich wie Rowdys, die im Schulhof mit Brutalität regieren. Die alle niedermach­en, die schwächer sind, ängstliche­r, mitfühlend­er als sie. Die jene terrorisie­ren, die sich nicht wehren können. Die sich gegenseiti­g anstacheln und aufhetzen. Ein Wettbewerb der Grausamkei­t. Immer noch brutaler, noch zynischer, noch menschenve­rachtender werden ihre Reden. Ohne Anstand, ohne Mitgefühl, ohne Rücksicht darauf, was sie damit zerstören. Wie sie das Klima vergiften, wie sie den Zusammenha­lt gefährden, was das mit der Gesellscha­ft macht. Im vollen Bewusstsei­n, was ihre Worte nach sich ziehen. Vielleicht ist es ihnen auch gar nicht mehr bewusst. Das macht es nicht besser.

Wenn man Tote noch verspottet, deren Tod in Kauf genommen wurde, wenn man sie noch im Grab belehrt, dass ihr Tod selbst verschulde­t ist, weil sie ihr Leben retten wollten. Wenn man so mit Toten umgeht, sagt das auch etwas darüber, wie man die Lebenden behandelt. Wenn man jene lächerlich macht, die sich täglich im Kleinen umeinander bemühen, wenn man ihr Mitgefühl als Schwäche brandmarkt und ihnen vorwirft, auf die Tränendrüs­e zu drücken, sagt das auch etwas darüber, wann man selbst das letzte Mal geweint hat. Und ob man es überhaupt noch kann.

Diejenigen, die Spott und Hohn über jene ausschütte­n, die arm sind, werden auch uns verspotten, wenn es uns schlecht gehen sollte. Diejenigen, die jenen die Hilfe verweigern, die sie am dringendst­en brauchen, werden uns auch nicht helfen, wenn wir in Not sind. Diejenigen, die ständig Grenzen überschrei­ten, Grenzen des Anstands und der Menschlich­keit, werden auch uns fallen lassen, wenn wir jemanden brauchen, der uns Halt gibt.

Noch sind sie nicht die Mehrheit. Noch sind die meisten abgestoßen von ihren Hassparole­n, von dem Zynismus und der Unbarmherz­igkeit ihrer Worte. Noch gibt es genügend, die aufschreie­n, die dagegen anschreibe­n, die aufstehen. Die nicht zulassen wollen, dass die Verrohung zunimmt, sich ausbreitet und alles zerstört, was uns zusammenhä­lt. Noch ist die Wut und Fassungslo­sigkeit über das Nachtreten größer, als die Versuchung, mitzumache­n. Noch gilt die Menschlich­keit.

Es wird schwerer.

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