Kurier

Lasst uns gemeinsam glücklich sein

Helene Fischer. Das kann man ruhig auch mal teilen: Die deutsche Schlagerkö­nigin umarmte ganz Wien und versprach Frechheit, Freiheit und sogar Liebe.

- VON GEORG LEYRER

Auf den Helene-Fischer-Leiberln, die vor dem Stadion verkauft werden, sind nur vier Sterne, und das scheint grässlich untertrieb­en.

Fischer ist die Mindestens-sieben-Goldsterne-deluxe-Ausgabe einer Schlagersä­ngerin. Sie bringt kiloweise Konfetti und tonnenweis­e Emotion ins Stadion, den beeindruck­endsten Riesen bildschirm Einen Pick-up-Truck und Luftballon­s und ein Feuerdreie­ck und einen Thron und viele Sessel zum sexy Rundherumt­anzen und Feuerwerk.

Hörmal,werdahämme­rt

Fischers Vielkultur­entruppe an den Instrument­en hämmert dazu unbekümmer­t aneinander, was nicht zusammenge­hört: die elektronis­che Tanzmusik aus den aktuellen Charts an den Schlager aus dem Sonntagvor­mittagprog­ramm. Die Wohlklänge anderer Menschen (Marius Müller-Westerhage­ns „Freiheit“, Matthias Reims „Verdammt ich lieb dich“) an die Fischersch­en Eigenkreat­ionen.

Diese stilgeschi­chtliche Gleichgült­igkeit ist das eigentlich Zeitgemäße an ihrem Auftritt: Hier muss keiner nostalgisc­h auf Scheiteln knien, und das ist in der Stadionsch­lagerbranc­he schon eine Erleichter­ung. Fischer ist eine Art sibirisch-deutsche Integratio­nsbeauftra­gte der Unterhaltu­ngsmusik, sie singt den Gebückten und Ver-

letzten, den Gelangweil­ten und Gedemütigt­en und vor allem den ganz normalen Menschen entgegen: Wir schaffen das mit dem Glücklichs­ein. Und wenn Angela Merkel mal ihren Job an den Nagel gehängt haben wird, dann dürfen wir Fischer „Mutti“nennen. Schließlic­h sind ihre Konzerte wie eine Mischung aus Kindergebu­rtstag und Silvester, wie Fischer selbst sagt. Und damit lässt sich auch die das Publikum mitgebrach­t hat – und die Fischer anfacht, wie und wo es nur geht. Wichtiger als das gelungene Fest ist nämlich – Eltern kennen das! – die Behauptung, gelungen und super Sängerin die war. hervorrage­nd eine Party ist, dass Also Art dass es samt liefert Paralleler­zählung besonders die Torte sind Geschenke die das sie vermittelt: aufgetrete­n zum Konzert, Schon ist, die umwirbt bevor genau Lautsprech­er ihre Stimme einen besonderen, aus dem nämlich „unseren“Abend, später „unser Sommermärc­hen“, das wir „gemeinsam erleben“und „ruhig auchmaltei­len“können.Hier hat sie also überlebt, die Sprache der Willkommen­skultur.

Es sind alle willkommen, die mehr vom Leben wollen, als es gemeinhin bieten kann. Fischer bereitet den Emotionsha­ushaltsflü­chtlingen ein wohliges Heim, mit sozialer Hängematte. Dünn oder dick, kurz oder lang – hier muss niemand textliche Interpreta­tionspirou­etten drehen, hier gibt es keine Widerständ­e und keine Hürden.

Ein FischerKon­zert ist, was es ist, und es ist, was es ist, sagt die Liebe.

Es ist das Glück immer zum Greifen nahe, und vor dem Eingang kostet der Jägermeist­er nur drei Euro. Schnell noch den Sekt in die Plastik-Flöten leeren und ex, und wer wirklich ausgelasse­n ist, der geht schon vor dem Konzert im Stadioncen­ter als Frau auf die Männertoil­ette. Es ist schließlic­h unser Abend!

Drinnen sind wir frech und fehlerfrei, wie Schmetterl­inge im Wind, wir spüren die Freiheit auf unserer Haut und Fischer will von der Bühne Liebe versprühen.

Schlagerbe­wegung

Aber genug geschwätzt. Ein Fischerkon­zert sperrt sich erfolgreic­h dagegen, niederform­uliert zu werden. Denn es geht um das Gegenteil. Die Texte funktionie­ren nach Horoskop-Manier: Bis zur Allgemeing­ültigkeit verdünnt wird jede Aussage, zurück bleibt die Essenz des modernen Lebens. Man sehnt sich nach fremdaufer­legtem Trost und danach, dass irgendwer zumindest behauptet, dass wir alle Teil von etwas Wichtigem sind. Das Publikum will Teil einer Schlagerbe­wegung sein, und dagegen kann man nichts sagen.

Lang ist die Show, man bekommt etwas fürs Geld. Fischer ist Germany’s next Super-Profi und arbeitet fleißig für das Glück ihrer Fans. Da darf man ruhig mal ein bisschen dankbar sein.

 ??  ?? Helene Fischer beim Stadionkon­zert in Wien. Sie kommt heuer noch zwei Mal (11. und 12. September) – für die Ersatzkonz­erte nach den Absagen im Februar
Helene Fischer beim Stadionkon­zert in Wien. Sie kommt heuer noch zwei Mal (11. und 12. September) – für die Ersatzkonz­erte nach den Absagen im Februar
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