„Für uns ist es dann Gewalt, wenn es das Opfer so fühlt“
Interview. Dina Nachbaur, Expertin der Opferschutzhilfe „Weisser Ring“, spricht über das Thema „Gewalt im Netz“
KURIER: Frau Nachbaur, Sie sind Expertin der Opferschutzhilfe „Weisser Ring“und beschäftigen sich mit dem Thema Gewalt im Internet. Beim aktuellen Fall von Sigrid Maurer merkt man, dass es viele rechtliche Grauzonen gibt. Warum ist das so?
Dina Nachbaur: Das Recht versucht so viel wie möglich abzudecken. Aber nachträglich werden dann die Lücken erkannt und gerade im Netz hinkt das Recht hinterher.
Bemerken Sie, dass die Zahl der Opfer in den letzten Jahren gestiegen ist?
Wir beobachten da zwei Phänomene. Zum einen merken wir, dass das Stalking und Mobbing ohne Social-Media fast nicht mehr möglich ist. Und zum anderen gibt es dann eben das Thema der Beleidigungen, die fast ausschließlich im Netz passieren. Das sind Möglichkeiten, die das Internet geschaffen hat. Gibt es bei Opfern von körperlicher Gewalt und Gewalt im Internet große Unterschiede?
Nein, das kann man durchaus vergleichen. Ein großer Prozentsatz der Opfer kommt mit Beleidigungen im Netz gut zurecht. Aber eine große Zahl leidet sehr darunter. Da geht es um gesteigerte Nervosität, Angstzustände oder Schlaf beschwerden. Diese Symptome kennen wir auch von Opfern körperlicher Gewalt. Justizminister Josef Moser hat angekündigt, dass er keine anlassbezogene Gesetzesänderung möchte. Sind Sie der Meinung, dass Änderungen notwendig sind?
Gesetze sind nicht in Stein gemeißelt aber für gewisse Zeit gedacht und sollten gut überlegt sein. Ein Schnellschuss wäre nicht gut. Durch die Gewalt im Netz sollte es aber sehrwohl neue Möglichkeiten der Strafverfolgung geben. Dafür gibt es aber bereits die Taskforce zum Strafrecht, wo sich eine Untergruppe genau mit diesem Thema Gewalt im Internet explizit beschäftigt.
Wie können sich Opfer von Gewalt im Netz wehren?
Das Beste ist, alles mit Screenshots oder dergleichen zu dokumentieren und wenn es straf bar ist, zur Anzeige zu bringen. Ab wann ist man ein Opfer von
Gewalt im Netz?
Für uns ist es dann Gewalt, wenn es das Opfer so fühlt. Wenn jemand zu uns kommt und Hilfe braucht, dann werden wir ihn unterstützen. Für die Behörden gibt es da Unterschiede, die haben wir nicht. Wenn es sich um eine Beleidigung handelt, dann ist das ein Privatanklagedelikt und es gibt Informationen, wie man weiter vorgehen kann.