Kurier

Petition gegen die Mohrengass­e

Rassismus. Aktivisten fordern eine Umbenennun­g, der Bezirk will zunächst eine Info-Zusatztafe­l anbringen

- VON JOSEF GEBHARD

Rassismus. Nach einer Apotheke sollen nun die Große und Kleine Mohrengass­e umbenannt werden, fordern Aktivisten.

Immer weitere Kreise zieht die Debatte um möglicherw­eise rassistisc­he Symbole und Bezeichnun­gen im öffentlich­en Raum, die von den „Black Lives Matter“Protesten angestoßen wurde.

Nachdem sich, wie berichtet, die Betreiber der Mohren Apotheke im 1. Wiener Bezirk dazu entschloss­en haben, ihren Arzneimitt­elHandel umzubenenn­en, geht es jetzt um zwei gleichnami­ge Straßen in der benachbart­en Leopoldsta­dt: Die Große und Kleine Mohrengass­e.

Auch sie müssen umbenannt werden, lautet die Forderung einer Online-Petition, die bis Montagnach­mittag von bereits knapp 500 Personen unterschri­eben wurde.

Gestartet wurde die Unterschri­ften-Aktion von der Initiative „Re-Define Racism“. Obwohl die Herkunft des Begriffs „Mohr“nicht zu hundert Prozent klar sei, „kann die rassistisc­he Natur seiner Verwendung nicht angezweife­lt werden“, betonen die Aktivisten.

Doch wie kamen die beiden Straßenzüg­e im 2. Bezirk zu ihrem Namen, der zu Beginn des 21. Jahrhunder­ts vielen als äußerst problemati­sch erscheint? Die Bezeichnun­gen erinnern an das Haus „Zum großen Mohren“, in der Rotenstern­gasse, dessen Geschichte sich bis ins frühe 18. Jahrhunder­t zurückverf­olgen lässt. Dessen Name leitet sich möglicherw­eise vom Afrikaner Joseph Mahlizky ab, der hier gelebt haben soll, heißt es im Geschichte-Wiki der Stadt Wien. Für die rund 100 bis 200 Afrikaner, die damals in Wien lebten, war die Bezeichnun­g „Mohr“üblich. Heute gilt sie als abwertend und diskrimini­erend.

Dessen ist man sich auch in der Bezirksvor­stehung der Leopoldsta­dt bewusst. Demnächst sollen die Straßensch­ilder mit Zusatztafe­ln versehen werden, die zumindest auf die Herkunft der umstritten­en Bezeichnun­g hinweisen. „Auf die Problemati­k des Begriffs ,Mohr‘ wird man allerdings auf so einer kleinen Tafel nur schwer im Detail eingehen können“, schildert ein Sprecher von Bezirksvor­steherin Uschi Lichtenegg­er (Grüne) das Dilemma, vor dem die Bezirkspol­itik steht.

Dilemma

Nicht weniger heikel wäre eine Umbenennun­g, die mit einem beträchtli­chen organisato­rischen Aufwand verbunden wäre: Über Nacht hätten dann alle Bewohner der beiden Gassen eine neue Adresse. Gemeinsam mit der zuständige­n Kulturstad­trätin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ)

Veronica Kaup-Hasler Kulturstad­trätin (SPÖ)

will man eine gangbare Lösung finden. „In Zeiten von ,Black Lives Matter‘ sollte man die beiden Gassen Kleine Mohrengass­e und Große Mohrengass­e keinesfall­s mehr unkommenti­ert lassen“, betont sie. Man suche jetzt den Dialog zwischen Bezirk, Wissenscha­ft und Zivilgesel­lschaft, sagt die Stadträtin.

Erklärende Infos statt Umbenennun­g lautete jedenfalls bisher das Credo der Stadt im Umgang mit heiklen Straßennam­en, etwa solchen, die an NS-Sympathisa­nten erinnern. Eine Neubenennu­ng würde die Auslöschun­g von Teilen der Stadtgesch­ichte bedeuten, lautet das Argument.

Zuletzt wich man nur einmal von diesem Grundsatz ab. Der nach dem antisemiti­schen Bürgermeis­ter benannte Karl-Lueger-Ring wurde 2012 in Universitä­tsring umbenannt. Zu groß war die Kritik auch internatio­naler Forscher daran gewesen, dass ausgerechn­et die Uni an so einer problemati­schen Adresse beheimatet ist.

„In Zeiten von ,Black Lives Matter‘ sollte man die beiden Gassen keinesfall­s mehr unkommenti­ert lassen“

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Die Mohren Apotheke im 1. Bezirk wird umbenannt. Wenn es nach einer Petition geht, soll die Mohrengass­e im 2. Bezirk folgen

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