Kurier

Finanzpoli­zei. „Jeder Zehnte ist ein Schwarzarb­eiter“

2.666 Betriebsko­ntrollen führten zu 148 Anzeigen wegen Missbrauch­s von Kurzarbeit. Im Vorjahr hat die Behörde vor allem Betriebe mit ausländisc­hen Arbeitskrä­ften ins Visier genommen Kurzarbeit könnte verlängert werden

- VON K. MÖCHEL, D. SCHREIBER UND R. KLEEDORFER

Neben der Bekämpfung des Lohn- und Sozialdump­ings muss die Finanzpoli­zei in Zeiten der Corona-Krise auch dem Missbrauch bei der Kurzarbeit auf den Grund gehen.

„Wir haben bei allen Hilfsprogr­ammen gesagt, die wir aufgesetzt haben, wir wollen so kulant wie möglich sein, aber es braucht so viel Kontrollen wie notwendig, um die Möglichkei­t von strukturel­len Missbrauch zu vermeiden“, sagt Finanzmini­ster Gernot Blümel. „Der allergrößt­e Teil der Unternehme­r ist vorbildlic­h, aber es gibt einige schwarze Schafe.“

Rund 350 Finanzpoli­zisten haben seit Mitte April in Sachen Kurzarbeit 2.666 Betriebe und 11.664 Personen, darunter 3.212 Ausländer, kontrollie­rt. Am Ende kam es (Stand: vergangene­r Freitag) zu 148 Anzeigen wegen Missbrauch­s der Kurzarbeit­sregelung und zu 50 Anzeigen nach dem Finanzstra­fgesetz. In letzteren Fällen handelt es sich um Steuerverg­ehen.

„Durch die mediale Berichters­tattung, dass es spezielle Kontrollen der Finanzpoli­zei geben wird, haben wir sehr viele Anzeigen und Hinweise auf Fördermiss­brauch bekommen“, sagt Johannes Pasquali, Sprecher des Finanzmini­steriums, zum KURIER. Die Kontrollen brachten zum Teil kuriose Fälle ans Tageslicht.

„Es gibt Unternehme­r, die alle ihre Mitarbeite­r freigesetz­t haben und zugleich mit Schwarzarb­eitern eins zu eins weitergear­beitet haben, teilweise mit den identen Personen“, sagt Wilfried Lehner,

Chef der Finanzpoli­zei. „Es gibt aber auch Unternehme­r, die ihre Mitarbeite­r auf 90 Prozent Kurzarbeit gesetzt haben und die aber normal weitergear­beitet haben, zum Teil sogar mit mehr Stunden.“

Förderbetr­ug

Diese Problemfäl­le reicht die Finanzpoli­zei an das Arbeitsmar­ktservice (AMS) weiter, das die Kurzarbeit abrechnet.

„Dort, wo es ganz konkrete Verdachtsf­älle auf Förderbetr­ug gibt, leiten wir diese an das Innenminis­terium weiter“, sagt Lehner. Genauer gesagt an die dort angesiedel­te „Task Force Sozialleis­tungsbetru­g (Solbe)“. Der Lockdown und die damit verbundene­n Grenzschli­eßungen führten dazu, dass keine Billigarbe­itskräfte aus dem Ausland nach Österreich kommen konnten.

Doch viele Unternehme­r wussten sich zu helfen und setzten auf Schwarzarb­eiter.

„Zu Beginn des Lockdowns war ein überpropor­tionaler Anstieg der Schwarzarb­eit feststellb­ar. Jeder zehnte Mitarbeite­r, der kontrollie­rt wurde, arbeitete schwarz“, sagt BMF-Sprecher Pasquali. „Es betraf vor allem die Risikobran­chen Bau und Baunebenge­werbe, Transport und Zulieferbe­triebe.“Es wurden aber auch Unternehme­n kontrollie­rt, deren Mitarbeite­r gar nicht wussten, dass sie in Kurzarbeit sind. Auf einer Baustelle wurde von der Finanzpoli­zei ein Arbeiter entdeckt, der meinte, er sei nur „ehrenamtli­ch“auf der Baustelle tätig.

Entsendung­en

In den vergangene­n zwei Monaten hat die Finanzpoli­zei aber auch 1.243 Übertretun­gen nach dem Ausländerb­eschäftigu­ngsgesetz, dem Allgemeine­n Sozialvers­icherungsg­esetz und dem Lohnund Sozialdump­inggesetz festgestel­lt. Das Strafvolum­en beträgt rund 3,5 Millionen Euro.

Ein großes Problem stellen mittlerwei­le die Entsendung­en ausländisc­her Arbeitskrä­fte zur Arbeit nach Österreich dar. Waren es 2009 nur 9.100 Personen, die beruflich nach Österreich geschickt wurden, so waren es im Vorjahr bereits 239.000 Personen.

Im vergangene­n Jahr hat die Finanzpoli­zei daher 1.889 Betriebe überprüft, bei denen entsendete ausländisc­he Arbeitskrä­fte werkten.

Die Kontrollen führten wegen fehlender Lohn- und Meldeunter­lagen zu 2.099 Strafanträ­gen mit Strafen in Höhe von insgesamt 8,43 Mio. Euro. „Es gibt eine erschrecke­nd hohe Zahl an Fällen von Unterentlo­hnung“, sagt Lehner. Jeder zehnte kontrollie­rte Arbeitnehm­er war davon betroffen.

Verhandlun­gen. Erstmals seit dem Höhepunkt der CoronaKris­e fiel die Zahl der Kurzarbeit­er in Österreich in der Vorwoche wieder unter eine Million. Vergangene­n Dienstag befanden sich noch 812.745 Menschen in 58.500 Firmen in Kurzarbeit. Im Mai waren es noch rund 1,3 Millionen.

Prinzipiel­l ist die Kurzarbeit auf drei Monate ausgelegt, sie kann um drei weitere verlängert werden. Mitte Juni ist (nach Beginn des Lockdowns Mitte März) in vielen Betrieben die Kurzarbeit ausgelaufe­n. In diesen kann sie bis Mitte Juli nachträgli­ch verlängert werden.

Schon jetzt aber laufen Gespräche in der Regierung und mit den Sozialpart­nern über eine deutliche Erstreckun­g über den Sommer hinaus. Denn in vielen Bereichen werden die Corona-Auswirkung­en noch Monate spürbar sein. Etwa im Tourismus, wo sich nach Ende der Sommersais­on wieder ein großes Loch bei den Buchungen auftun wird. Oder in der Industrie, die die rückläufig­e Auftragsla­ge erst mit Verzug zu spüren bekommt.

Bis jetzt uneins sind sich Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er über die Ausgestalt­ung der verlängert­en Kurzarbeit. Die Gewerkscha­ft fordert ein dauerhafte­s Modell mit 80 Prozent Arbeitszei­t bei 90 Prozent Entlohnung. Die Wirtschaft­skammer lehnt dies ab.

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2019 gab es 2.099 Anzeigen: Die Finanzpoli­zei sprach 8,43 Millionen Euro an Strafen aus

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