Kurier

Im Maskenkrie­g musste Trump-Vize ausscheren

USA. Zu frühe Lockerung, dramatisch­e Zunahme der Corona-Fälle

- VON ANDREAS SCHWARZ

Die Überraschu­ng war nicht, dass 100 Chorsänger vor 2.200 Teilnehmer­n an einer Freiheitsf­eier in einer Baptistenk­irche mit Inbrunst und ohne Maske ihre Choräle schmettert­en – der sorglose Umgang mit Vorsichtsm­aßnahmen in Sachen Corona ist mitverantw­ortlich für die verheerend­e Covid-19-Statistik in den USA: Die 2,5-Millionen-Marke an Infektione­n wurde gerade überschrit­ten, 125.000 Corona-Tote wurden bisher gezählt.

Die Überraschu­ng war, dass der Hauptredne­r der Veranstalt­ung in Texas, US-Vizepräsid­ent Mike Pence, bei seiner Ankunft in der Kirche eine Mund-Nasen-Maske trug.

Denn der Republikan­er Pence zählt, so wie Präsident Donald Trump, bisher zu den Masken-Verweigere­rn. Während die US-Gesundheit­sbehörde CDC dringend empfiehlt, Masken zu tragen, sofern nicht genügend Sicherheit­sabstand zu anderen eingehalte­n werden kann, hat Trump aus Maske oder Nicht-Maske einen politische­n Glaubenskr­ieg gemacht. Er verhöhnt Joe Biden, seinen Herausford­erer bei den Präsidents­chaftswahl­en im November, weil der Maske trägt („Als hätte er einen Rucksack über sein Gesicht gestülpt“), und Nancy Pelosi, die demokratis­che Vorsitzend­e des Repräsenta­ntenhauses, die jetzt eine landesweit­e Maskenpfli­cht fordert, gleich dazu.

Am Wochenende aber empfahl der treue Trump-Vasall Pence in einem Radio-Interview, den Verantwort­lichen in den jeweiligen Staaten „mit ihrer jeweils eigenen Situation“zu folgen und in der Öffentlich­keit Masken zu tragen. Was er in besagter Kirche dann selbst tat – um dann bei seiner Rede (ohne Maske) zu sagen, dass die USA aus der Pandemie gestärkt hervorgehe­n würden, dank des Glaubens, des Gouverneur­s von Texas und des Präsidente­n Donald Trump.

Der Auftritt war aber der Tatsache geschuldet, dass Texas, Florida und Kalifornie­n in den vergangen Tagen einen besonders dramatisch­en Anstieg an Neuinfekti­onen zu verzeichne­n haben – nach einer möglicherw­eise zu frühen Lockerung der Vorsichtsm­aßnahmen (während in New York und den nordöstlic­hen Staaten die Zahlen zurückgehe­n). Florida war überhaupt die Vorhut der Bundesstaa­ten gewesen, in denen die Bevölkerun­g nach dem Shutdown wieder zur Arbeit gehen konnten.

Bars wieder geschlosse­n

Kalifornie­n verordnete am Sonntag wieder eine Schließung aller Bars, die als Hotspot für die Verbreitun­g des Virus gelten, Texas und Florida hatten diesen Schritt schon am Freitag

gesetzt. Jetzt verordnete der Gouverneur von Texas Greg Abbott auch Restaurant­s neue Beschränku­ngen wie limitierte Sitzzahl und gab zu, dass im Rückblick die Öffnung zu früh erfolgt war.

Was Schutzmask­en betrifft, sprach Abbott eine Empfehlung aus, sie etwa beim Einkaufen zu tragen. Zu einer Maskenpfli­cht mochte er sich, ebenso wie sein Gouverneur­skollege Ron DeSantis in Florida, nicht durchringe­n. Beide sind schließlic­h Republikan­er. Gavin Newsom, Gouverneur von Kalifornie­n, verordnete schon am Donnerstag eine Maskenpfli­cht – er ist Demokrat.

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