Schwarz-Grün: Merz’ Annäherungsangebot
gewählte 39-jährige Jeanne Barseghian den gegen sie gerichteten Vorwurf, ihre Diskretion sei Ausdruck mangelnder Autorität, geschickt umdrehen. Bei der auf Umweltfragen spezialisierten Juristin stünden Kompetenz vor Prestigesucht, versicherte ihr ursprünglicher Vorgesetzter im franko-deutschen ÖkoProjekt „Lebendiger Rhein“: „Sie ist die verkörperte Gründlichkeit. Wenn sie behauptete, auf einer Eisscholle gebe es 4.512 Pinguine, dann hat sie sie auch gezählt.“
„Es gibt Lösungen“
Die Wähler dürften auch die harte Zielstrebigkeit der Vegetarierin Jeanne Barseghian honoriert haben. In einer Fernsehdebatte warf sie ihren Rivalen „einen Konsens der Unbeweglichkeit“vor. „Weil die Dinge kompliziert sind, sagen sie dauernd, später, später. Genau das hat in Straßburg zu einer der schlimmsten Luftverschmutzungen geführt. Aber es gibt Lösungen.“
Eine ähnliche Mischung zwischen Sachlichkeit und unaufgeregter Handlungsbereitschaft prägt das Image des 46-jährigen Grégory Doucet, der in Lyon das Rathaus übernimmt, und seines Kumpans, des 48-jährigen Bruno Bernard, der den Vorsitz für die Großregion Lyon mit ihren 1,4 Millionen Einwohnern errungen hat. Doucet ist Handelshochschul-Absolvent und Manager humanitärer Organisationen. Bernard ist Boss einer Firma für Asbest-Entfernung.
Beide konnten in der florierenden Gastronomie-Metropole davon überzeugen, dass ihre Pläne dem französischen Wirtschaftsstandort nützten würden. Das sind freilich zunächst Absichtserklärungen, deren Umsetzung in einem heiklen sozialen Umfeld und an sehr widersprüchlichen Erwartungen, etwa der unterschiedlichen linken Verbündeten der Grünen, scheitern könnten.
So klafft ein Abgrund zwischen der Sehnsucht der innerstädtischen Bildungsschichten nach Verkehrsberuhigung und den Existenzängsten der Vor- und KleinStädter, die auf ihre Privatautos angewiesen sind und von der aktuellen Wirtschaftskrise am härtesten getroffen wurden.
Dritte Kraft
Darüber hinaus hegen die Grünen nunmehr hochfahrende Pläne für die Präsidentenund Parlamentswahlen 2022: Sie hoffen, als führende Kraft eines neuen Linksbündnisses sowohl dem Lager von Präsident Emmanuel Macron als auch der Nationalpopulistin Marine Le Pen den Rang abzulaufen – aber das erscheint, zumindest einstweilen, sehr weit gedacht.
Deutschland. Die Grünen und Friedrich Merz, das klingt fast wie ein Widerspruch. Doch das sieht der Mann, der sich um CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur bemüht, anders. Im Spiegel-Interview sprach er sich für eine Kooperation aus, stellte ein Angebot in Aussicht. „Ich traue mir zu, das Unionsprofil in einer Konstellation mit den Grünen klar erkennbar zu machen und dafür zu sorgen, dass wir nicht nur wirtschafts- und finanzpolitisch vernünftige Dinge beschließen, sondern auch in gesellschaftspolitischen Fragen.“
Das dürfte manchen Grünen Angstschweiß auf die Stirn zaubern, fiel Merz doch schon mal damit auf, das Grundrecht auf Asyl einschränken zu wollen. Gleichzeitig haben Grüne, die in Baden-Württemberg und Hessen mit der CDU koalieren, schon mal bei einer Asylrechtsverschärfung mitgestimmt.
Vom Spitzenduo Annalena Baerbock und Robert Habeck kam jedenfalls keine Reaktion auf Merz’ Angebot. Nur Cem Özdemir, RealoGrüner, der die Partei früher mal anführte, schien sich zu freuen – und bezeichnete die Offerte als „Kompliment“für Grüne in Bund und Ländern.
Ein Blick auf aktuelle Umfragen zeigt, dass sich die Union als Partner derzeit Grüne oder SPD aussuchen könnte. Die liberale FDP, mit der bereits koaliert wurde, droht hingegen aus dem Bundestag zu fliegen, sie kratzt an der Fünfprozentmarke.