Kurier

Vereine haben Lage nicht im Griff

Randaliere­r akzeptiere­n keine Autoritäte­n / Experten sehen Eltern gefordert

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Analyse. Die Türkei habe starken Einfluss auf die Entwicklun­gen in Favoriten, sagt Soziologe Kenan Güngör. Er meint damit das Narrativ vom allgegenwä­rtigen Kampf gegen sogenannte Terroriste­n. Zum Teil hätten die Jugendlich­en keine großen Bildungspe­rspektiven und wenig, worauf sie stolz sein könnten – außer ihrem „Vaterland“bzw. dem ihrer Eltern oder Großeltern.

Das bedeutet aber nicht, dass die Randaliere­r, die mit Erdoğans AKP sowie mit den rechtsextr­emen Grauen Wölfen sympathisi­eren, aus der Türkei oder von türkischen Vereinen gelenkt würden.

Deeskalati­on scheitert

Moschee-Verbände erreichen die Jugendlich­en nicht einmal, wenn sie es versuchen. Seitens der Türkischen Föderation, die als Ableger der Grauen Wölfe gilt, distanzier­te man sich von den Favoritner Provokateu­ren. Deeskalati­onsversuch­e scheiterte­n aber – die Jugendlich­en nehmen die ergrauten Herren in ihren Moscheen nicht ernst.

Aus der Verantwort­ung stehlen dürften sich die Vereine freilich nicht, meint Güngör. Die Jugendlich­en seien in deren Umfeld mit Nationalis­mus, Islamismus, mit Kriegsspie­len und dem Traum vom Großtürken­tum aufgewachs­en. Daraus entstünde eine Begeisteru­ng für Kampfsport, Männlichke­itskult und Nationalst­olz, die die Vereine nicht mehr in den Griff bekämen.

Adressat, um die Gewalt in den Griff zu bekommen, seien daher die Eltern der Randaliere­r, so Güngör. In dieselbe Kerbe schlägt Politaktiv­ist Hakan Gördü, dessen Kleinparte­i SÖZ im Oktober zur Wien-Wahl antritt. Er lud daher beteiligte Jugendlich­e und deren Eltern zum Gespräch ein. „Es ging darum, ihnen klar zu machen, dass sie sich und andere gesellscha­ftlich ins Eck drängen“, sagt Gördü. Fünf der geschätzte­n 500 Jugendlich­en hätten Einsehen signalisie­rt. Um die Szene zu erreichen, bedürfe es kultursens­ibler Sozialarbe­it, meinen die Experten.

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Soziologe Kenan Güngör sieht Mitschuld der Vereine

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