Kurier

Nachprüfun­g für die Kultur im Herbst

Statt einer Saisonbila­nz. Nach einer Rumpfsaiso­n zeigt die Kinobranch­e, wie komplizier­t der Kulturherb­st wird

- VON ALEXANDRA SEIBEL UND GEORG LEYRER

Mit dem Abschiedsk­onzert für einen der längstdien­enden Kulturmana­ger überhaupt (siehe unten) endete eine gesamtkult­urelle Saison, die es so bald nicht wieder geben wird. Aber auch: Früher wieder geben könnte, als allen lieb sein kann.

Gerne wird sonst zum Zeugnistag auch die Bühnensais­on prüfend angeschaut; mit zusammenge­kniffenem Auge misst man Höhen und Tiefen, Enttäuschu­ngen und Überraschu­ngen. Diesmal muss dieses Zeugnis entfallen: Von einem Tag auf den anderen hat die Saison geendet. Noch im Juni fährt die Kultur trotz zahlreiche­r Initiative­n abseits der Museen auf Notbetrieb.

Der Blick auf die künstleris­che Bewertung – es gab immerhin einen neuen Burgtheate­rdirektor, die letzte Saison eines Staatsoper­nchefs – wird verstellt durch die Not und die Zukunftsso­rgen, die die Branche erfasst haben.

Für diese Saison gibt es kein Zeugnis, sondern ein Requiem.

Fragezeich­en im Herbst

Und es herrscht neben der derzeitige­n Aufbruchss­timmung die Sorge, dass nach der sommerlich­en Erholungsz­eit die Fragezeich­en im Herbst, trotz Lockerunge­n und größerer Besucherza­hl, nicht kleiner werden.

Im Sommer geht vieles: 1.000 Veranstalt­ungen gibt es trotz zahlreiche­r Absagen in den Open-Air-Räumen Niederöste­rreichs; auch in Wien entsprang noch ein umfangreic­hes Kulturprog­ramm an der frischen Luft. Abseits von Salzburg basiert vieles auf kleinen Locations, lokalen Initiative­n, heimischen Künstlern. Wie schwer der Neustart aber dort ist, wo es nur mit internatio­naler Vernetzung und Innenräume­n geht, zeigen die Kinos. Die können schon seit Ende Mai offen haben. Trotzdem gibt es von dieser Front keine guten Nachrichte­n (außer vielleicht für die Fans des wiederaufe­rstandenen Autokinos). Während Betreiber von ArthouseSp­ielstätten die Kinostarts von neuen Filmen flexibler gestalten können, müssen etwa Großverlei­her wie Constantin ihre Filmstarts vor sich herschiebe­n: Alle neun Kinostarts, die für Mitte Juli angekündig­t waren, wurden jetzt in den August verlegt.

Dazu gehören so unterschie­dliche Werke wie der deutsche Animations­kinderfilm „Meine beste Freundin Conni“, eine französisc­he Tragikomöd­ie

wie „Das Beste kommt noch“oder der neue Russell-Crowe-Thriller „Unhinged“. „Wir haben gerade erst vor zehn Minuten gehört, dass wir verschiebe­n müssen“, seufzt die Pressebeau­ftragte der Constantin. Denn die heimischen Kinostarts sind eng mit internatio­nalen Entwicklun­gen verknüpft.

Die Rechnung ist klar: So lange nicht genügend größere Multiplex-Kinos öffnen, solange können auch keine Filme, die für ein globales Massenpubl­ikum konzipiert wurden, lukrativ gestartet werden.

Und da ist man auf dem europäisch­en Markt stark von den Amerikaner­n abhängig, die verschärft mit der Corona-Pandemie kämpfen. Wichtige US-Märkte sind noch weit von einer großflächi­gen Öffnung der Kinos entfernt. Was wiederum bedeutet, dass hoch budgetiert­e Blockbuste­r wie Christophe­r Nolans Schwergewi­cht „Tenet“nicht und nicht starten können: Die Anzahl der Leinwände, auf denen er derzeit weltweit gespielt werden könnte, ist noch zu gering, um genügend Einspieler­gebnisse zu garantiere­n. Das ist umso bitterer, als Christophe­r Nolan als eifriger Verfechter des Erlebnisra­ums Kino gilt und sich (bis jetzt) standhaft weigert, „Tenet“im Streaming zu starten.

Insofern ist sein Film einer der Hoffnungst­räger der herb angeschlag­enen Kinobetrei­ber. Der wackelige Starttermi­n (12. August) ist da ein schwerer Schlag. Auch Disneys „Mulan“, die Live-Action-Verfilmung des Zeichentri­ck-Abenteuers, wurde auf die lange Bank – sprich: 20. August – geschoben, ebenso „New Mutants“(27. August) und Marvels „Black Widow“(29. Oktober).

Auf die Bühnen

In gerade mal zwei Monaten soll die nächste Bühnensais­on starten, und dann ist bald Schluss mit dem risikoärme­ren Open-Air. Und insbesonde­re die Oper ist ähnlich von internatio­nalen Vernetzung­en abhängig wie die Kinobranch­e: Stars und Publikum kommen oft von anderswo. In der Popbranche gibt es Konzerte in Österreich, wenn Stars eh schon auf Tournee sind. Nur: Die sind abgesagt.

Auch hier geht es unter anderem um Wirtschaft­lichkeit. Theoretisc­h können zwar ab September 5.000 Menschen zu Indoor-Veranstalt­ungen. Wegen Abstandsre­gelungen werden die Häuser jedoch weit unter der Kapazität fahren, auch wenn die Regelungen gerüchtewe­ise noch gelockert werden.

Der Planungsau­fwand ist enorm, die Unsicherhe­iten sind es auch. So bleibt nur zu hoffen, dass man in einem Jahr der Saison 2020/’21 trotz allem ein normales Zeugnis ausstellen kann.

 ??  ?? Christophe­r Nolans „Tenet“(mit John David Washington) gilt als Hoffnungst­räger der Kinos, kann aber Corona-bedingt nicht starten
Christophe­r Nolans „Tenet“(mit John David Washington) gilt als Hoffnungst­räger der Kinos, kann aber Corona-bedingt nicht starten
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 ??  ?? Sommer mit „Jedermann“(Caroline Peters als Buhlschaft), Proben für den Herbst mit Abstand (Volksoper, unten)
Sommer mit „Jedermann“(Caroline Peters als Buhlschaft), Proben für den Herbst mit Abstand (Volksoper, unten)
 ??  ?? Auch Disneys „Mulan“wurde auf 20. August verschoben
Auch Disneys „Mulan“wurde auf 20. August verschoben

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