Kurier

Facebook, du ha(s)st da was

Werbeboyko­tt. 90 Firmen stoppen Zahlungen, weil der Gigant nichts gegen Hass im Netz tut

- VON PHILIPP WILHELMER

So schnell wird man heutzutage um sieben Milliarden ärmer. Nachdem 90 große Unternehme­n öffentlich kundmachte­n, bei Facebook vorläufig kein Werbegeld auszugeben, weil das Unternehme­n nicht genug gegen Hasstirade­n auf seiner Plattform tue, rasselten die Börsenkurs­e nach unten. Gründer Mark Zuckerberg­s Privatverm­ögen schrumpfte damit um sieben Milliarden Dollar (auf 82 Milliarden, er wird es also verschmerz­en).

Facebook hat mitten in der #blacklives­matter-Krise und vor den Präsidents­chaftswahl­en im Herbst ein Imageprobl­em, das nicht wegzuleugn­en ist. Viele Firmen wollen den blauen Social-Media-Giganten dazu zwingen, die Plattform endlich zu einem Ort zu machen, wo nicht Hass und Verschwöru­ng gepredigt werden können, ohne dass den Urhebern Konsequenz­en drohen.

Die Unternehme­n, darunter Levi’s, Coca Cola oder Unilever, haben zweierlei im Sinn: Man hat erkannt, dass auch die indirekte Unterstütz­ung von Rassismus durch Duldung im Amerika des

Jahres 2020 nicht mehr business-tauglich ist. Außerdem ist es im Sinne der Werber, in einem hochwertig­en Umfeld zu schalten. Wenn ein neues Deo von Unilever neben einem rechtsextr­emen Pamphlet erscheint, ist das eher imageschäd­igend denn -fördernd.

Ein Monat Sperre

Der Boykott soll 30 Tage dauern. Wie viel er Facebook an Umsatz kosten wird, ist nur grob abschätzba­r. Laut dem Wirtschaft­snachricht­endienst Bloomberg könnte das Minus bis zu 250 Millionen Dollar betragen. Das ist eine Stange Geld, gemessen am geschätzte­n Werbeumsat­z von Facebook im gesamten Jahr ist es immer noch verschwind­end: 77 Milliarden Dollar dürfte der betragen.

Kritiker monieren außerdem, dass unter der Überschrif­t #StopHateFo­rProfit sehr öffentlich­keitswirks­am darüber diskutiert wird, wie böse Facebook und Twitter agieren – ein großes Problem jedoch ausgeblend­et werde: Programmat­ische Werbung, die automatisi­ert geschalten wird, ist von dem Boykott ausgenomme­n.

Quer durchs Netz

Dabei werden die Werbedolla­rs in eine Art Pool eingezahlt, die Ausspielun­g erfolgt nach einem Algorithmu­s quer durch das Internet. Die

Anzeigen erscheinen auf seriösen Seiten ebenso wie auf Plattforme­n für Onlinepira­terie oder auf einschlägi­gen politische­n Seiten. Hierüber wird aktuell nicht diskutiert.

Facebook sei gut beraten, die Debatte ernstzuneh­men, raten Analysten. Der 30-tägige Boykott könnte eine Sogwirkung haben und weitere Werber mitziehen.

Warum Facebook? Der Techgigant gibt nach einer internen Untersuchu­ng polarisier­enden Inhalten den Vorzug – je radikaler eine Meinung ist, desto höher ist die Wahrschein­lichkeit, dass sie auf der Seite Verbreitun­g findet. Auch der Kurznachri­chtendiens­t Twitter bedient ähnliche Mechanisme­n.

Beide Plattforme­n versuchen, mit Faktenchec­ks allzu hanebüchen­en Behauptung­en einen Riegel vorzuschie­ben. Das Klima des Hasses ist damit aber offenkundi­g noch nicht beseitigt.

 ??  ?? Grantiges Emoji vor dem Facebook-Sitz in Menlo Park, Kalifornie­n: Das Image ist angekratzt
Grantiges Emoji vor dem Facebook-Sitz in Menlo Park, Kalifornie­n: Das Image ist angekratzt
 ??  ?? Mark Zuckerberg spürt die Proteste auch monetär
Mark Zuckerberg spürt die Proteste auch monetär

Newspapers in German

Newspapers from Austria