Facebook, du ha(s)st da was
Werbeboykott. 90 Firmen stoppen Zahlungen, weil der Gigant nichts gegen Hass im Netz tut
So schnell wird man heutzutage um sieben Milliarden ärmer. Nachdem 90 große Unternehmen öffentlich kundmachten, bei Facebook vorläufig kein Werbegeld auszugeben, weil das Unternehmen nicht genug gegen Hasstiraden auf seiner Plattform tue, rasselten die Börsenkurse nach unten. Gründer Mark Zuckerbergs Privatvermögen schrumpfte damit um sieben Milliarden Dollar (auf 82 Milliarden, er wird es also verschmerzen).
Facebook hat mitten in der #blacklivesmatter-Krise und vor den Präsidentschaftswahlen im Herbst ein Imageproblem, das nicht wegzuleugnen ist. Viele Firmen wollen den blauen Social-Media-Giganten dazu zwingen, die Plattform endlich zu einem Ort zu machen, wo nicht Hass und Verschwörung gepredigt werden können, ohne dass den Urhebern Konsequenzen drohen.
Die Unternehmen, darunter Levi’s, Coca Cola oder Unilever, haben zweierlei im Sinn: Man hat erkannt, dass auch die indirekte Unterstützung von Rassismus durch Duldung im Amerika des
Jahres 2020 nicht mehr business-tauglich ist. Außerdem ist es im Sinne der Werber, in einem hochwertigen Umfeld zu schalten. Wenn ein neues Deo von Unilever neben einem rechtsextremen Pamphlet erscheint, ist das eher imageschädigend denn -fördernd.
Ein Monat Sperre
Der Boykott soll 30 Tage dauern. Wie viel er Facebook an Umsatz kosten wird, ist nur grob abschätzbar. Laut dem Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg könnte das Minus bis zu 250 Millionen Dollar betragen. Das ist eine Stange Geld, gemessen am geschätzten Werbeumsatz von Facebook im gesamten Jahr ist es immer noch verschwindend: 77 Milliarden Dollar dürfte der betragen.
Kritiker monieren außerdem, dass unter der Überschrift #StopHateForProfit sehr öffentlichkeitswirksam darüber diskutiert wird, wie böse Facebook und Twitter agieren – ein großes Problem jedoch ausgeblendet werde: Programmatische Werbung, die automatisiert geschalten wird, ist von dem Boykott ausgenommen.
Quer durchs Netz
Dabei werden die Werbedollars in eine Art Pool eingezahlt, die Ausspielung erfolgt nach einem Algorithmus quer durch das Internet. Die
Anzeigen erscheinen auf seriösen Seiten ebenso wie auf Plattformen für Onlinepiraterie oder auf einschlägigen politischen Seiten. Hierüber wird aktuell nicht diskutiert.
Facebook sei gut beraten, die Debatte ernstzunehmen, raten Analysten. Der 30-tägige Boykott könnte eine Sogwirkung haben und weitere Werber mitziehen.
Warum Facebook? Der Techgigant gibt nach einer internen Untersuchung polarisierenden Inhalten den Vorzug – je radikaler eine Meinung ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf der Seite Verbreitung findet. Auch der Kurznachrichtendienst Twitter bedient ähnliche Mechanismen.
Beide Plattformen versuchen, mit Faktenchecks allzu hanebüchenen Behauptungen einen Riegel vorzuschieben. Das Klima des Hasses ist damit aber offenkundig noch nicht beseitigt.