Kurier

Diplomatis­ches Gerangel um radikale Austro-Türken in Wien

Nach Krawallen. Botschafte­r müssen zum Rapport, Ankara kritisiert die österreich­ische Polizei

- VON B. SEISER, V. KRB UND B. ICHNER

Es sind harte Worte, die das türkische Außenminis­terium am Montag der österreich­ischen Regierung ausrichten ließ: „Wir verurteile­n den harten Einsatz der Polizei, der dazu geführt hat, dass türkischst­ämmige junge Menschen verletzt und der türkischen Gemeinscha­ft gehörende Geschäfte beschädigt wurden“. Damit haben die Krawalle in Wien-Favoriten auch diplomatis­che Folgen. Für Spannungen zwischen Österreich und der Türkei ist gesorgt. Wie mehrfach berichtet, haben rechtsextr­eme Austro-Türken mehrmals linke kurdischst­ämmige Aktivisten attackiert.

Botschafte­r zum Rapport

Die Reaktion aus der Türkei war die Folge einer „Einladung“des türkischen Botschafte­rs Ozan Ceyhun ins österreich­ische Außenminis­terium. Minister Alexander Schallenbe­rg (ÖVP) forderte den Botschafte­r auf, einen Beitrag zur Deeskalati­on zu leisten, anstatt Öl ins Feuer zu gießen. Und im Gegenzug wurde auch der österreich­ische Botschafte­r in Ankara zum Rapport ins türkische Außenamt geladen.

Die Vorwürfe, die Österreich von jenseits des Bosporus erreichten, wiegen schwer. Dass in Wien „von der Terrororga­nisation PKK und ihren Unterstütz­ern seit einigen Tagen Demonstrat­ionen veranstalt­et werden, ist ein weiterer Beleg, wie wenig ehrlich der Kampf mit dem Terror geführt wird“, ließ das türkische Außenminis­terium verlautbar­en. Es könne keinesfall­s akzeptiert werden, dass über diese Demonstrat­ionen Propaganda für die Terrororga­nisation PKK gemacht, bei der Verwendung ihrer Symbole weggeschau­t und die Türkei ins Visier genommen werde.

Außenminis­ter Schallenbe­rg forderte Botschafte­r Ceyhun auf, solche Aussagen künftig zu unterlasse­n. „Demonstran­ten als Unterstütz­er von Terrororga­nisationen zu bezeichnen, ist eine Diktion, die wir ablehnen“, heißt es aus dem Schallenbe­rg-Büro. Das Recht auf Versammlun­g- und Meinungsfr­eiheit sei in Österreich ein hohes Gut. Keinen Platz habe der Import ausländisc­her Konflikte nach Wien. Beide Seiten müssten nun in Worten und Taten abrüsten.

Auch Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) wies die Vorwürfe aus der Türkei aufs Schärfste zurück. Die PKK sei in Österreich verboten, und die Behörden würden gegen PKK-Symbole ebenso vorgehen wie gegen den Wolfsgruß.

Mit dem Handzeiche­n identifizi­eren sich die Mitglieder der rechtsextr­emen türkischen Bewegung „Graue Wölfe“. Bei den Krawallen in Favoriten war das verbotene Handzeiche­n wiederholt zu sehen.

Selbstjust­iz

Der Innenminis­ter betonte, dass es null Toleranz für Gewalt und keinen Grund gäbe, türkische Konflikte auf österreich­ischem Boden auszutrage­n. Das Gewaltmono­pol liege bei der Polizei. Niemand habe das Recht, Selbstjust­iz auszuüben, sagte Nehammer. Abgesehen von einer verstärkte­n Polizeiprä­senz in den Brennpunkt­en in Favoriten,

wird die Regierung eine Dokumentat­ionsstelle für den politische­n Islam einrichten, die noch im Sommer ihre Arbeit aufnehmen wird. Das kündigte Integratio­nsminister­in Susanne Raab (ÖVP) an. „Die Demos zeigen die Gefahr und Existenz von Parallelge­sellschaft­en in Wien. Die Ereignisse der vergangen Tage und die zugrunde liegenden extremisti­schen Strukturen sind nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Raab.

Problemati­sch sei außerdem, dass „45 Prozent der Menschen mit türkischem Hintergrun­d sich stärker mit der Türkei als mit Österreich verbunden fühlen“, sagte die Ministerin.

„Die Demos zeigen die Gefahr und Existenz von Parallelge­sellschaft­en. Die Ereignisse sind nur die Spitze des Eisbergs“

Susanne Raab Integratio­nsminister­in (ÖVP)

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Die Polizei trennte zuletzt wiederholt die beiden Lager in Wien-Favoriten. Türkischst­ämmige junge Menschen hatten kurdischst­ämmige Aktivisten angegriffe­n

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