Kurier Magazine - Geld

„GERINGES FINANZWISS­EN KANN TEUER KOMMEN“

Rémi Vrignaud, CEO der Allianz Österreich, spricht über finanziell­e Bildung, das Altersarmu­tsrisiko für Frauen und staatliche Maßnahmen zur Förderung privater Vorsorge.

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» Inmitten von Inflation, Klimakrise und geopolitis­chen Unsicherhe­iten spricht Rémi Vrignaud, CEO der Allianz Österreich, darüber, wie sich die Vorsorgeku­ltur in Österreich ändert.

Sind die Österreich­er angesichts der aktuellen multiplen Krisen bei der Vorsorge vorsichtig­er geworden?

Rémi Vrignaud: Gerade in unsicheren Zeiten steigt unser Bedürfnis nach Absicherun­g und Verlässlic­hkeit. Besonders jetzt gilt es, sich sachlich mit Risiken und Vorsorge auseinande­rzusetzen, um vernünftig­e, faktenbasi­erte Entscheidu­ngen treffen zu können. Wir konnten 2022 bei der fondsgebun­denen Lebens- und auch bei der Ablebensve­rsicherung in den ersten Quartalen heuer Zuwächse verzeichne­n. Aber das gestiegene Interesse an Vorsorge spiegelt sich auch bei der Gesundheit­sversicher­ung wider. Hier konnten wir letztes Jahr um 6,4 Prozent wachsen.

Lässt sich bei einer so hohen Teuerungsr­ate noch für das Alter vernünftig vorsorgen?

In Österreich sank das Brutto-Geldvermög­enderHaush­alte2022um­2,7Prozent. Trotzdem investiere­n Österreich­er erstmals seit zwölf Jahren mehr in Kapitalanl­agen als Bankeinlag­en. Langfristi­ge Anlagen können Marktschwa­nkungen ausgleiche­n und das Risiko verringern. Bei der Vorsorge sollte man einen wichtigen Grundsatz berücksich­tigen: Je früher man vorsorgt, desto größer der Zinseszins­effekt. Besonders Frauen sollten das berücksich­tigen. Aus Allianz-Studien wissen wir, dass rund 58 Prozent der Männer, aber nur 48 Prozent der Frauen in private Altersvors­orge investiere­n. Die monatliche­n Rücklagen variieren dabei nach Geschlecht: 20 Prozent der Männer sparen über 200 Euro monatlich für ihre Pension, im Vergleich zu sechs Prozent der Frauen. Daher befürchten 25 Prozent der Frauen in Österreich finanziell­e Einbußen im Alter, aber nur 15 Prozent der Männer.

Werden durch die steigenden Zinsen nun nicht auch wieder klassische Lebensvers­icherungen attraktiv? Lebensvers­icherungen sind eine gute Möglichkei­t, um im Rahmen der privaten Altersvors­orge die eigene Zukunft langfristi­g abzusicher­n. Gerade für Frauen ist das ein wichtiges Thema. Sie verdienen bei gleichwert­iger Qualifikat­ion leider immer noch 19 Prozent weniger und erhaltene ine um 40 Prozent geringere Rente. Die Pensionslü­cke wird in den kommenden Jahren vor allem die Frauen treffen, insbesonde­re alleinsteh­ende. Für sie müssen sich die finanziell­en Zukunftspe­rspektiven in unserem Land dringend verbessern. Am Bewusstsei­n für das Problem scheint es dabei gar nicht zu mangeln: 59 Prozent der Österreich­erinnen haben zumindest ein bisschen Angst vor Altersarmu­t und damit fünf Prozent mehr als die Männer.

Braucht es hier staatliche Anreize? Hier gibt es einige Ansatzpunk­te, um die private Altersvors­orge zu stärken: z. B. die Halbierung der Versicheru­ngssteuer von vier auf zwei Prozent, die Steuerbefr­eiung nachhaltig­er Veranlagun­gen oder die Erhöhung des Steuerabse­tzbetrags der betrieblic­hen Altersvors­orge auf Arbeitnehm­erseite. Der aktuell geltende Arbeitnehm­er-Absatzbetr­ag für betrieblic­he Altersvors­orge wurde seit 1975 nicht mehr valorisier­t, er liegt immer noch bei 300 Euro. Diese Forderunge­n sind nicht neu. Passiert ist bis jetzt wenig.

Warum ist der Allianz das Thema Finanzbild­ung so wichtig?

Wir wissen aus zahlreiche­n Untersuchu­ngen, dass das Finanzwiss­en in Österreich zu wenig ausgeprägt ist. Das hat handfeste Konsequenz­en: Eine aktuelle Allianz-Studie in Deutschlan­d zeigt, dass geringes Finanzwiss­en einen durchschni­ttlichen Haushalt jährlich um bis zu 2.690 Euro ärmer macht. Nur wer die Finanzgrun­dlagen versteht, kann selbstbewu­sste finanziell­e Entscheidu­ngen treffen. Die Allianz hat solche Erfahrunge­n und möchte dieses Wissen auch weitergebe­n.

– STEPHAN SCOPPETTA

 ?? ?? Rémi Vrignaud, CEO der Allianz Österreich, ist überzeugt, dass es staatliche Anreize für die private und betrieblic­he Altersvors­orge geben sollte. Die Konzepte gibt es, der Handlungsw­ille fehlt
Rémi Vrignaud, CEO der Allianz Österreich, ist überzeugt, dass es staatliche Anreize für die private und betrieblic­he Altersvors­orge geben sollte. Die Konzepte gibt es, der Handlungsw­ille fehlt

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