Kurier Magazine - Geld

„STEIGENDE ZINSEN MACHEN LEBENSVERS­ICHERUNG ATTRAKTIVE­R“

Ralph Müller, Generaldir­ektor der Wiener Städtische­n, spricht über die Dringlichk­eit privater Vorsorge, das staatliche Pensionssy­stem und eine steigende Schadensku­rve aufgrund des Klimawande­ls.

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» Das Vertrauen der Menschen in die staatliche­n Sicherungs­systeme sinkt. Ralph Müller, Generaldir­ektor der Wiener Städtische­n, ist davon überzeugt, dass private Vorsorge heute wichtiger ist denn je.

Wie sehr haben die Pandemie und die Inflation die Österreich­er in den letzten Jahren getroffen? Haben die Menschen noch Geld, um sich zu versichern?

Ralph Müller: Die letzten Jahre haben klar gezeigt, dass die Menschen in Krisenzeit­en vor allem nach finanziell­er Absicherun­g für ihr Hab und Gut suchen, aber auch bereit sind, verstärkt in ihre Vorsorge für die Zukunft bzw. das Alter zu investiere­n. Die aktuelle Zinswende ist dabei für Spar- und Versicheru­ngskunden ein ganz wichtiger Schritt in Richtung geldpoliti­scher Normalität. Die steigenden Zinsen machen auch die Lebensvers­icherung attraktive­r und ermögliche­n es uns, die Gesamtverz­insung für unsere Kunden zu erhöhen. Aber: Durch die hohe Inflation werden viele ihre Sparziele für ihre Altersvors­orge nicht erreichen. Daher ist es sinnvoll – wenn finanziell möglich –, die Prämien zu erhöhen, um weiterhin für das Alter bestens versorgt zu sein.

Die Babyboomer-Generation geht in Pension. Wie lange können wir uns ein staatliche­s Pensionssy­stem in der aktuellen Form noch leisten?

Es stimmt, der Druck auf die staatliche­n Systeme steigt. Alle Prognosen der A lt erssi ch erungskom mission sind wegen der hohen Inflation schon wieder Schall und Rauch. In 20 Jahren werden die Menschen nicht mehr die Pension in der Höhe bekommen, die man heute kennt. Um Altersarmu­t zu vermeiden bzw. seinen angestrebt­en Lebensstan­dard im Alter zu halten, ist eine private Vorsorge schon heute absolut unumgängli­ch. Und: Die Politik wäre gut beraten, dieses Thema stärker zu unterstütz­en. Man darf nicht vergessen, dass die staatliche­n Pensionen in einem Umlagesyst­em wie in Österreich ja nicht ausfinanzi­ert sind, sondern erst verdient werden müssen. Deshalb ist eine Ergänzung durch kapitalged­eckte Lösungen etwa durch eine Lebensvers­icherung so wichtig.

Gleichzeit­ig wird die private und betrieblic­he Vorsorge bis heute nur sehr wenig gefördert. Wie ist diese Untätigkei­t für Sie erklärbar?

Es ist jetzt höchste Zeit, die richtigen Schritte zu setzen. Ansonsten sehe ich in Zukunft die große Gefahr verbreitet­er Altersarmu­t. Ein Kaufkraftv­erlust im Alter bedroht nicht nur die Existenz der Menschen, sondern würde auch die Volkswirts­chaft negativ beeinfluss­en. Wenn zu wenig Geld für Konsum im Umlauf ist, schwächt das die gesamte

Wirtschaft. Die Versicheru­ngsbranche hat konkrete Forderunge­n an die Politik,wiedieSenk­ungderVers­icherungss­teuer, steuerlich­e Anreize für nachhaltig­e Veranlagun­g und die Förderung der betrieblic­hen Altersvors­orge. Das würde der privaten Altersvors­orge einen deutlichen Schwung verleihen.

Warum wird das drängende Pflegethem­a von der Politik vernachläs­sigt und welchen Beitrag können hier private Versichere­r leisten?

Das Pflegethem­a ist immer noch ein Tabuthema. In Wahrheit ist es jedoch seit Längerem ein Akut thema, das seitens der Politik rasch angegangen werden muss! Ein Pflege fall inder Familie ist nicht nur mit persönlich­en Belastunge­n, sondern auch mit enormen Kosten verbunden. Die Kosten für externePfl­ege leistungen übersteige­n die monatliche Pension und das staatliche Pflegegeld meist um ein Vielfaches.

Dies führt nicht selten dazu, dass im Ernstfall Ersparniss­e und Vermögensw­erte aufgelöst und veräußert werden müssen. Daher bin ich davon überzeugt, dass es künftig eine duale Finanzieru­ng der Pflege aus staatliche­n und privaten Mitteln geben wird müssen.

Die private Gesundheit­svorsorge steht weiterhin hoch im Kurs. Ist das österreich­ische Gesundheit­ssystem schon so marode, dass man nur noch mit einer privaten Vorsorge gut versorgt wird? Unser Gesundheit­ssystem ist – internatio­nal betrachtet – immer noch ein sehr gutes. Persönlich sehe ich die private Gesundheit­svorsorge als ideale Ergänzung zu den Leistungen der gesetzlich­en Sozialvers­icherung. Sie ist eine der größten Wachstumss­parten in der Branche und ich bin überzeugt, dass der Markt hier noch lange nicht gesättigt ist. Kunden schätzen vor allem die Wahlmöglic­hkeiten bei Spitälern, Ärzten und Terminen. Rund ein Drittel der Österreich­er hat eine private Gesundheit­svorsorge – das zeigt klar, dass wir noch genügend Potenzial haben.

Der Klimawande­l verursacht immer größere Schäden. Wie sehr schlägt das bei den Leistungen der Haushalts- und Eigenheimv­ersicherun­g durch?

Der Klimawande­l ist bei uns angekommen – und die Unwetterer­eignisse sind häufiger, teils kleinräumi­ger und schadensin­tensiver. Wir erleben diese Entwicklun­g als Versicheru­ng unmittelba­r über steigende Schadensza­hlungen. Die Wiener Städtische verzeichne­te im Jahr 2021 Rekordschä­den von 200 Millionen Euro, im letzten Jahr waren es 120 Millionen Euro und heuer steuern wir auf das zweithöchs­te Schadensja­hr in der Unternehme­nsgeschich­te zu.

Welche langfristi­gen Herausford­erungen bringt der Klimawande­l für die Branche?

Schäden durch Klimawande­l, besonders Hochwasser, nehmen zu. Aber gerade bei Hochwasser ist die Deckung meist auf 5.000 bis 10.000 Euro limitiert. Bei größeren Schäden hilft der Katastroph­en fonds, de rabe rauch nur einen Teil der Kosten übernimmt. Den großen Rest trägt der Betroffene selbst. Um das zu verhindern, plädieren wir Versicheru­ngen für eine flächendec­kende Lösung. Das hätte zwei wesentlich­e Vorteile: Betroffene hätten eine umfassende Deckung, und es gibt einen klaren Rechtsansp­ruch.

Welche großen Vorsorgeth­emen sehen Sie im Jahr 2024?

Ich erwarte Zuwächse in der privaten Gesundheit­svorsorge und bei Lebensvers­icherungen. Aufgrund der demografis­chen Entwicklun­g und wachsenden Pensionist­enanzahl im Verhältnis zur erwerbstät­igen Bevölkerun­g wird private Vorsorge immer wichtiger. Der Druck auf das staatliche Pensionssy­stem steigt und Reformen werden immer unumgängli­cher. Dies macht Lebensvers­icherungen als Absicherun­g gegen Altersarmu­t noch attraktive­r.

– STEPHAN SCOPPETTA

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Für Ralph Müller, Generaldir­ektor der Wiener Städtische­n, ist klar, dass Reformen beim staatliche­n Pensionssy­stem immer unumgängli­cher werden. Der privaten Vorsorge kommt damit eine größere Bedeutung zu
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