INTERVIEW „STEP BY STEP“
Coach Steve Rettl erklärt Sebastians Ofners Erfolgsgeheimnis, was er verbessert hat, was er nicht mehr tun wird und warum er bei einem Medientermin in der Wiener Stadthalle missverstanden wurde.
» Coach Stefan Rettl, besser bekannt als Steve Rettl, ist gemeinsam mit Trainer Wolfgang Thiem ein Vater des Erfolges von Sebastian Ofner.
Plötzlich tauchte ein Sebastian Ofner mit blonden Haaren auf und erzählte von einer Wette. Man hörte, sie würde mit einem Einzug in die Top 100 zusammenhängen?
Stefan Rettl: Nein, es waren die Top 50. Es muss in der Zeit bei den French Open gewesen sein. Er hat immer mit dieser Frisur geliebäugelt, da habe ich ihm das vorgeschlagen.
Er hat es Monate später auch geschafft. Weil er ein sensationelles Jahr spielte. Was war für Sie persönlich der schönste Moment?
Das war wohl der Fünf-Satz-Erfolg bei den French Open gegen Fabio Fognini. Weil es auch unglaublich ist, bei einem Grand-Slam-Turnier die zweite Woche zu erreichen. Und weil er damit in die Top 100 eingezogen ist und obendrein auch Österreichs Nummer eins wurde. Auch der Halbfinaleinzug in Astana war traumhaft, ebenso wie die gesamte Asien-Tour, die Sebastian in die Top 50 brachte.
Warum klappte es bei Ihrem Schützling heuer so gut? Er selbst sagte, es liege daran, dass er endlich ein Jahr fast verletzungsfrei spielen konnte. Wie sehen Sie das?
Sebastian wurde im Vorjahr Ende September von meinem Vater an der Ferse operiert, zuvor konnte er nur unter Schmerzen spielen. Danach hatten wir auch eine sehr gute, lange Vorbereitung
auf die Saison, er hat unter Konditionstrainer Georg Mrkvicka sehr gut gearbeitet und war körperlich voll auf der Höhe. So konnte er über die gesamte Saison seinen Level halten, früher hat er eben zwei, drei Wochen gut gespielt, dann wieder länger nicht.
Apropos Training: Wie sehr half es ihm beim Umstieg auf die ATP-Tour, dass er nun mit Topleuten trainieren konnte? Natürlich viel. Wenn du erstmals gegen die spielst, sagst du dir: ,Na servas, die spielen ein Level.’ Beim sechsten, siebenten Mal siehst du, dass du dabei bist, dass sie gar nicht viel mehr können. Die Topspieler machen eben nur bei Matches weniger Blödheiten als andere. Und da hat Sebastian enorm an sich gearbeitet.
Zu den Topleuten. Von Alex Zverev gab es am Rande des Wiener Turniers Kritik. Weil Sebastian sagte, er hätte in seinem Alter (27) keine Chance mehr auf einen Platz in die Top Ten. Wie sehen Sie das? Ich glaube, da wurde er missverstanden. Er meinte, dass es nur step by step gehen kann. Man muss sich realistische Ziele setzen. In die Top 50 geht es halbwegs schnell. Aber zu den Top 10 fehlen 2.000 Punkte. Es ist nicht notwendig, sich unnötig Druck zu machen. Jetzt ist einmal die klare Zielsetzung ein Platz in den Top 40.
Ihr Schützling spielte heuer 91 Matches. Der Plan für 2024 sieht wohl eher anders aus, oder? ErwirdkeineChallengermehrspielen. Wichtig ist, dass er ganz auf der ATPTour ankommt. Heuer war es eben so, dass er nach den vielen Challengern und vor allem durch das Paris-Achtelfinale plötzlich bei den ATP-Turnieren im Hauptbewerb war und teilweise sogar gesetzt. Da musste er spielen. Aber er hat gelernt, eine richtige Mischung aus Matches, Training und Regeneration zu finden. – H. OTTAWA