SAISONBILANZ „DAS WAR VIEL ZU WENIG“
Dominic Thiem blickt selbstkritisch auf die wenig erfreuliche Saison zurück. Und macht sich Gedanken, wie es aufwärts gehen könnte.
» Dominic Thiem blickt oft zurück auf das schöne Kitzbühel. Dort, wo er mit dem Finaleinzug sein Highlight hatte in dieser nicht wirklich berauschenden Saison. Und er blickt nach Kitzbühel (siehe Seiten 34 bis 37), um mit dieser Woche ins nächste Jahr blicken zu können. „Da will ich so die ganze Saison durchziehen, wie ich ab Kitzbühel gespielt habe. Dann wird es im Ranking auch hoffentlich nach oben gehen.“
Ein Finaleinzug bei einem 250erTurnier, das ist freilich nicht der Anspruch, den eine ehemalige Nummer drei der Welt hat, ein Spieler, der ein Grand-Slam-Turnier gewonnen hat, ist für Größeres geeignet.
Das weiß der mittlerweile 30-Jährige. „Es waren ein paar gute Turniere dabei, ein paar gute Matches – aber schlussendlich viel zu wenig“, sagte der US-Open-Sieger des Jahres 2020. „Der Jahresanfang bis Wimbledon war zum Vergessen. Da habe ich viel zu selten meine Leistung gebracht, das war richtig schlecht“, meinte der Lichtenwörther. Dann sei es immer besser geworden. „Jetzt schaue ich, dass ich eine gute Vorbereitung spiele, um dann voll da zu sein vom ersten Turnier an.“
TRAINER GETAUSCHT. Gute Spiele, gute Leistungen gab es. Aber die Konstanz fehlte. Dabei schien es ein paar Mal so, dass er wieder an die Spitze anklopft.
Freilich hat ihn die Handgelenksverletzung, die ihn von Juni 2021 bis März 2022 in die Zuschauerrolle manövrierte, zurückgeworfen – jedoch lief es im ersten Halbjahr 2021 auch nicht wirklich gut.
Doch heuer, Ende April/Anfang Mai, schien alles besser zu werden. Die Arbeit mit Trainer Nicolás Massú, der 2019 von Günter Bresnik nur als Touring-Coachgeholtwurdeunddann »
Das schlug auf den Magen: Thiem wurde in seiner besten Phase heuer von einer Art Gastritis gestoppt
pikanterweise sein Nachfolger wurde, wurde beendet und mit dem Deutschen Ben Ebrahimzadeh ein neuer Trainer geholt (Anfang April startete die Zusammenarbeit). Selbst Bresnik sagte damals: „Das war eine gute Entscheidung, der ist ein Topmann.“Thiem bekannte am Rande des ChallengersinMauthausen,woerimHalbfinale scheiterte, dass er unter dem Chilenen Massú zu wenig trainierte. „Die Intensität und der Trainingsumfang sind nun viel höher geworden. Es haben vorher viele Dinge nicht gepasst, er spricht direkt an, was ich ändern muss“, sagte Thiem im Mai.
MENTALE UNTERSTÜTZUNG. Seit dieser Zeit arbeitet Thiem auch mit einem Mentalcoach zusammen, mit dem Sportpsychologen Andreas Marlovits, der grundlegende Erfahrungen mit Mentaltraining im Sport aufweist. Es wurde etwas besser, richtig gut spielte er nur bei zwei Niederlagen – beide gegen Stefanos Tsitsipas. Ende April in Madrid und dann im Juli in Wimbledon unterlag Thiem nur jeweils im Tie-Break des Entscheidungssatzes. Und am besten spielte er heuer in den USA, wurde aber ausgerechnet in dieser Phase von einer Art Gastritis gestoppt und musste bei den US Open gegen den späteren Halbfinalisten Ben Shelton in der 2. Runde aufgeben.
UNFREIWILLIGE PAUSE. Nach einer Pause (Thiem: „Ich konnte zwei Wochen gar nichts machen.“) und folgenden durchwachsenen Wochen lieferte Thiem in Wien erneut Tsitsipas ein gutes Match, auch wenn es in der Stadthalle schon nach zwei Sätzen beendet war. Von 9.300 Fans nach vorne gepeitscht, fehlte es Thiem einmal mehr nur an Konstanz, in einigen Situationen fehlte noch die Selbstsicherheit. „Es haben erneut Kleinigkeiten entschieden“, sagte Thiem. Warum es in den engen Situationen nicht klappt, wusste er auch: „Das lag auch an den vergangenen Wochen und der Pause. Ich muss auch einen Weg finden, auch in anderen Partien so reinzugehen wie gegen Tsitsipas.“Freilich macht es einen Unterschied, ob er bei einem Challenger spielt oder vor einem begeisterten Heimpublikum.
Thiem wird Wege finden, wieder nach vorne zu kommen. Klasse geht niemals verloren. – HARALD OTTAWA