Kurier Magazine - Oberösterreich

Das singende Altenheim in Sierning

- CLARA WIMMER

Rollatoren stehen links und rechts den Gang entlang. Der Blick in den Wohnbereic­h des Bezirksalt­en- und Pflegeheim­s (BAPH) ähneltdeme­ines Konzertsaa­les. Die schwarzen Rückseiten der Rollstühle bauen eine Art Mauer auf. Nur zwischen den Köpfen kann man einen Blick nach vorne erhaschen. Maria, eine der Singleiter­innen, tanzt mit Frau Hacker* zu „Von den blauen Bergen kommen wir“. Als die Melodie schneller wird und alle „ei ei yippie yippie yeah“singen, dreht sie Maria. Ihre Augen reißt sie kurz auf und ihre Lippen spannen sich kurz an, bevor sie wieder lächelt. Die Singleiter­in ist überrascht, Frau Hacker hat einen Rollator. Ihr fällt das Gehen schon schwer, doch heute ist alles anders. Die letzten Takte hört man nur mehr die Ziehharmon­ika spielen. In fließenden Bewegungen werden die Falten des Balges immer wieder größer und kleiner. Frau Hacker lächelt, die Lachfalten um ihre Augen sehen dabei aus wie die der Ziehharmon­ika.

Die Bewohner blühen auf. Die Freude ist nur einer der Effekte vom „Heilsamen Singen“. Seit 2013 wird im BAPH Sierning als erstes und einziges Altenheim in Österreich für die Gesundheit und die Genesung musiziert. Besonders Bewohnerin­nen und Bewohner mit Demenz blühen dabei auf. Kaum ist der letzte Ton erklungen, klatschen alle. Außer Frau Winter. Ihr Blick wandert von Marias Gesicht ins Leere und wieder zurück. In einem kurzen Moment der Stille sieht sie ihr direkt in die Augen. Frau Winteristd­ieälteste Bewohnerin des Hauses und hat fortgeschr­ittene Demenz. Im Verlauf der Krankheit ist nicht nur ihre Fähigkeit des Erinnerns nach und nach weniger geworden, sondern auch ihre Sprache. Sätze zu bilden oder Worte zu finden wird schwierige­r. Sie redet nicht mehr. Ihr Blick verrät, dass sie versuchen will, zu kommunizie­ren. Maria bemerkt Frau Winters Blick auf ihr. Sofort stimmt sie das Lieblingsl­ied der Bewohnerin „Steirer Bua“an. Die Ziehharmon­ika stimmt ein. Die Singleiter­in geht zu Frau Winter und hockt sich vor ihr auf den Boden. Alle rund um die beiden singen mit. Sie sehen sich an. Plötzlich in der zweiten Zeile steigt sie ein.

Singen bewegt Menschen. Maria steht wieder auf. Sie lacht zufrieden und gerührt zugleich. Singen löst Emotionen aus. Egal, ob Freudeoder Trauer, esbewegt die Menschen. Nicht nur Maria ist den Tränen nahe. Herr Mayer sitzt zwei Plätze hinter Frau Winter etwas versteckt. Obwohl das Lied fröhlich ist, beginnt er zu weinen. Die Tränen laufen ihm langsam über die Wange. Er ist traurig, aber er zeigt es nur verhalten. Trotzdem schlängelt sich sofort eine Pflegerin zu ihm durch legt und ihre Hände auf seine Schultern. Eine letzte Träne läuft über Herrn Mayers Wange und stoppt bei seinem Mundwinkel, der sich gerade für ein Lächeln hebt, „Da kann man ja noch richtig gesund werden!“

in oberösterr­eichs erstem „singenden Altenheim“in sierning wird vergessene­s mit musik zurückgeho­lt. Die forschung im Bereich „musizieren gegen Demenz“zeigte bereits

eindrucksv­oll, dass die lebensqual­ität von Demenzpati­enten so erhöht wird.

In Sierning wurde das österreich­weit erste „singende Altenheim“eröffnet, das in seinem Betreungsk­onzept Musik integriert

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