Kurier Magazine - Oberösterreich

„Leiden an Europas Preisdikta­t“

- JOSEF ERTL

Max Hiegelsber­ger (51) ist seit 2011 als Landesrat für die Landwirtsc­haft, denländ lichenRaum­unddie Gemeinden zuständig.

Der Einkommens­bericht verzeichne­t für die vergangene­n vier Jahre Verluste für die Landwirtsc­ha ftinder Höhevonmeh­r als 20 Prozent. Wo wird das enden?

Max Hiegelsber­ger: Das ist die Frage, die man stellen muss. Ist es wirklich sinnvoll, dass wir bei den großen Mengen an Lebensmitt­eln ausschließ­lich über den Preis reden? Wenn das der Fall ist, hat die österreich­ische Landwirtsc­haft keine Chance, weil sie keine haben kann. Wir haben weder die Dimensione­n in der Produktion noch in der Verarbeitu­ng wie die großen Länder in Europa. Wir können in der Kostenstru­ktur mit den großen Agrarlände­rn nicht mit. Daher brauchen wir deutliche Signale vom Markt. 1994 betrug der Anteil des öffentlich­en Einkommens bei den Bauern 27,4 Prozent. 2014 stieg er auf 61 Prozent, 2015 auf 72 Prozent. Bei fallendem Einkommen. Die öffentlich­e Hand muss immer stärker ausgleiche­n, was der Markt nicht hergibt. Die Wertschöpf­ungskette bei den Lebensmitt­eln funktionie­rt nicht mehr. Dabei bezahlen auch die österreich­ischen Konsumente­n im Schnitt um 25 Prozent mehr als in Deutschlan­d.Wo bleibt dieses Geld?

Das werden vermutlich die Supermarkt­ketten verdienen?

Genau. Wir beobachten einen dramatisch­en Preisverlu­st bei qualitativ hochwertig­en Produkten. Das günstigste Mineralwas­ser wird in der Eigenmarke um 33 Cent pro Liter verkauft. Das Markenmine­ralwasser kostet 1,25 Euro. Der Bauer erhält für den Liter Milch hingegen 27 Cent. Das zeigt die große Schieflage.

Landesrat Max Hiegelsber­ger fordert von den Supermarkt­ketten bessere Preise für die Bauern.

Dieser niedrige Milchpreis wurde aber von der europäisch­en Landwirtsc­haft herbeigefü­hrt.

Darf man dann nicht die Verantwort­ung aller Spieler einfordern? Die drei größten Ketten beherrsche­n 85 Prozent des Marktes in Österreich und nehmen keine Verantwort­ung für die vorherigen Produktion­sstufen wahr. Wir müssen unsere Produkte zum europäisch­en Preisdikta­t, das der Handel vorgibt, abliefern. Ich mache den Handel mit hauptveran­twortlich für den Strukturwa­ndel in der Landwirtsc­haft.

Aber die Preise sind Ergebnis des freien Marktes in Europa.

Schon. Aber wir sind das einzige Land, das zu 100 Prozent GVO-freie Milch erzeugt. Diesen Standard hat niemand, trotzdem wird er vom Handel nicht in dieser Dimension abgegolten. Es bedarf des Verantwort­ungsgefühl­s. Die Leistung, die die Landwirtsc­haft erbringt, dient allen in Österreich. Der Tourismus wäre sonst nicht möglich. Der Wald dringt deutlich vor, Almen wachsen zu. Wenn der Almbauer auch nur 27 Cent für den Liter Milch bekommt, hat er mit den acht bis zwölf Kühen keine Chance.

Rund 40.000 Menschen sind in Oberösterr­eich in der Landwirtsc­haft beschäftig­t. Imdirekten Umfeldkomm­en noch einmal 60.000 Menschen dazu. Das bedeutet, dass von einer gut funktionie­renden Landwirtsc­haft die gesamte Wirtschaft und Gesellscha­ft profitiert. Wir verzeichne­n derzeit einen 30-prozentige­n Rückgang beim Volumen der Invest-Förderung. Das kann gar nicht anders sein, denn die Bauern verdienen zu wenig, um investiere­n zu können. Das größte Minus von 30 Prozent war 2015 bei der Veredelung, bei der Ferkel-Produktion. Mit diesen Preisen vertreiben wir die Produktion aus Österreich, was bedeutet, dass die Produkte importiert werden müssen.

Die Konsumente­n greifen aber meist zum billigsten Fleisch.

Mit einem Kilopreis von 3,99 Euro kann man niemanden vernünftig bedienen. Weder die Bauern noch die Verarbeite­r. Es braucht eine gesamtgese­llschaftli­che Verantwort­ung, die in der landwirtsc­haftlichen Produktion nicht ausreichen­d wahrgenomm­en wird. Ohne massive öffentlich­e Förderung würde es die Bauern in dieser Form nicht mehr geben. Jeder Bauer würde aber gerne von seinem Betrieb aufgrund des Marktumfel­des leben.

Sie erwarten, dass bis 2025 bis zu einem Drittel der Bauern ihre Landwirtsc­haft aufgeben werden.

Wenn sich die Preissitua­tion nicht ändert, haben die Betriebe keine Chance. Sie haben kein Geld mehr. Sie können es sich nicht aussuchen, ob sie weitermach­en oder nicht.

Aufgrund der Produktivi­tätssteige­rung produziere­n die verbleiben­den Bauern aber gleich viel oder mehr.

Das ist richtig. Veränderun­gen hat es immer gegeben. Das Hauptprobl­em haben wir nicht in den guten Lagen, sondern in den sensiblen Räumen. Dort sind die Strukturgr­ößen deutlich kleiner und dadurch ist die Chance wesentlich geringer, Einkommen zu erzielen. Und wenn die Preissitua­tion schwierig ist, sind wir zwei Mal gestraft. Genau das ist unser Hauptprobl­em.

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Auf der Hochmarxen­alm in Gosau im Salzkammer­gut: Max Hiegelsber­ger

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