Kurier Magazine - Oberösterreich
„Europa verliert an Dynamik“
Michael Strugl (53) ist seit 2013 Wirtschaftslandesrat.
Oberösterreich investiert bis 2021 rund 121 Millionen Euro in die Digitalisierung. Ist das Ihr wichtigstes Projekt?
Michael Strugl: Es ist ein ganz wesentliches Projekt für die Entwicklung des Standortes. Es ist auch vom Volumen her das größte. Es ist sicher die Speerspitze der Entwicklung.
Was sind die anderen Projekte?
Die Stärkung des Innovationssystems und der Forschungsleistung. Die Forschungsausgaben werden erhöht, die Anstrengungen, an internationalen Forschungsprogrammen teilzunehmen, müssen verstärkt werden. Die Musik spielt international, wer da nicht dabei ist, wird nicht an der Spitze stehen. Die Schnittstellen zwischen Forschung und Wirtschaft müssen sehr gut funktionieren. In allen europäischen Spitzenregionen läuft das sehr effizient. Zwei weitere Themen beschäftigen uns massiv. Das eine ist der Arbeitsmarkt mit zwei Facetten. Wir haben ein Problem bei den über 50-Jährigen. Und wir haben einiges zu tun bei Menschen mit Migrationshintergrund. Gleichzeitig haben wir 14.000 offene Stellen. Und wir haben einen immer drückenderen Fachkräftemangel. Die Digitalisierung wird die Nachfrage am Arbeitsmarkt massiv verändern. Es werden andere Qualifikationen nachgefragt, was Rückwirkungen auf das Bildungssystem hat. Ein Dauerbrenner ist die Deregulierung. Sie ist die größte Spaßbremse für Unternehmer. Da muss es Erleichterungen geben, denn ansonsten verlieren wir an Attraktivität, was eine Spirale nach unten auslöst.
Ohne Wachstum werden die Arbeitsplätze weniger, warnt Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat Michael Strugl.
Wolfgang Eder, Vorstandsvorsitzender der voestalpine, sagt, die Zukunft seines Unternehmens liege nicht mehr in Europa, denn hier gebe es zu wenig Wachstum. Das ist eine ernüchterndes Szenario für Österreich.
Das Problem ist, dass der europäische Wirtschaftsraum an Dynamik und Attraktivität verliert. Die Gründe sind auf der einen Seite teilweise die Demografie. Das muss aber noch nicht schlimm sein. Das größere Problem ist, dass die Regularien teilweise auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe gehen. All diese bremsenden Faktoren führen dazu, dass Europa eine schwächere wirtschaftliche Dynamik als die USA und Asien aufweist. In den USA wird zum Beispiel die Investorenbetreuung sehr offensiv, unkompliziert und unterstützend gemacht. Das tut uns weh. Die Produktion folgt stets den großen Absatzmärkten. Zuerst wechselt die Produktion und wenn sich die Situation verschlechtert, geht auch die Forschung dorthin. Wenn Europa sich wirtschaftlich nur verhalten entwickelt und andere Wirtschaftsräume wesentlich dynamischer sind, werden die Unternehmen dort ihre Produkte absetzen und am Ende dort auch produzieren.
Obwohl diese Erkenntnisse nicht neu sind, hat man den Eindruck, dass sie an den Regierungen spurlos vorbeigehen.
In vielen Regierungen wird das zu wenig antizipiert und berücksichtigt.
Ist die industrielle Wertschöpfung, die wir in Österreich und Oberösterreich haben, auf Dauer zu halten?
Ich glaube, dass wir in diesem Wettbewerb auch durchaus Assets haben. Wir haben sehr gute Mitarbeiter. Auf diesen Faktor müssen wir enorm achten. Wir haben einen gewissen Vorsprung in der Technologie und im Know-how.
Aber nicht in der Digitalisierung.
Hier gibt es zwei Bereiche. Wir sind sehr gut in der Anwendungssoftware, in der Industrie, die Amerikaner sind sehr gut, wie man mit Daten umgeht. Die besten Autobauer gibt es in Europa, das beste Datenmanagement gibt es in den USA. Diese Welten treffen sich derzeit und es wird spannend werden, wo der Fokus in der automotiven Industrie zukünftig sein wird. Wird in den USA oder in Europa produziert? Derzeit können wir zwar die Standorte halten, aber die größere Produktivität aufgrund der limitierenden Faktoren in Europa wie Steuern, Lohnnebenkosten, Bürokratie etc. führt dazu, dass sich die Produktion in den USA und in Asien besser rechnet. Erstmals investiert die voestalpine mehr woanders als bei uns, obwohl hier das Headquarter ist. Das ist ein Alarmsignal. Ich habe etwa soeben ein Unternehmen besucht, das Pappe und Kartonagen herstellt. Es produziert heute mit wesentlich weniger Mitarbeitern ein höheres Volumen. Es hat die Produktivität durch Automatisierung gesteigert. Das steht uns bevor. Selbst wenn wir das Volumen halten, haben wir weniger Arbeitsplätze. Deshalb müssen wir wachsen. Ich treffe immer wieder Menschen, die das infrage stellen. Wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen, müssen wir mit unseren Mitarbeitern mehr produzieren, weil wir dadurch konkurrenzfähiger auf den Weltmärkten werden. Wenn wir nicht wachsen, werden wir dasselbe Volumen produzieren, aber mit weniger Mitarbeitern. Das wird übersehen. Stagnation ist im Wettbewerb ein Zurückfallen. –