Kurier (Samstag)

„Die Hotspots werden funktionie­ren“

Rudolf Hundstorfe­r. SPÖ-Kandidat für die Hofburg glaubt in der Flüchtling­sfrage an eine Entlastung durch die EU

- VON CHRISTIAN BÖHMER UND BERNHARD GAUL

KURIER: Wie sprechen wir Sie jetzt eigentlich an? Als Minister außer Dienst? Rudolf Hundstorfe­r: Hundstorfe­r, bitte einfach nur Herr Hundstorfe­r. Herr Hundstorfe­r, in Ihrem Wahlkampfv­ideo zeichnen Sie am Beispiel Ihrer Lebensgesc­hichte den sozialen Aufstieg nach. Das Problem daran: Den Aufstieg der 70er- und 80erJahre gibt es nicht mehr, ein Arbeiter kann heute von seinem Gehalt keine Familie ernähren.

Das sehe ich so nicht. Sozialer Aufstieg ist nach wie vor möglich. Wir hatten früher auch sehr wenig Geld, der Unterschie­d zu damals ist: Heute sind die Ansprüche deutlich höher. Sie meinen den dritten Fernseher und das zweite Auto?

Ich bleibe beim Begriff „Ansprüche“. Aber der zweite Fernseher kommt wohl hin. Ich war zwölf, als meine Familie den ersten Fernseh-Apparat bekommen hat. Dennoch bin ich überzeugt davon, dass es heute nach wie vor möglich ist, sich aus kleinen Verhältnis­sen hochzuarbe­iten. Der Zugang zu guter Bildung ist heute leichter. Ich habe meinen ersten Schulbuchg­utschein bekommen, da war ich schon im Bildungsgy­mnasium für Berufstäti­ge. Damals war ein Uni-Abschluss aber noch gleichbede­utend mit einer Job-Garantie. Heute gilt das nicht mehr.

Natürlich hat sich vieles verändert, aber es gibt immer noch Branchen und Handwerker, die sehr gut verdienen. In den 70ern reichten oft zwei Hände – heute braucht man einen Lehrabschl­uss. Und ein Installate­ur muss auch mit einem Laptop umgehen können. Das Schlüsselw­ort lautet: Bildung. Sind die hohen Arbeitslos­enzahlen für Sie als ehemaligen Arbeits- und Sozialmini­ster nicht eine enorme Hypothek im Hofburg-Wahlkampf?

Die Entwicklun­g der Wirtschaft ist der zentrale Punkt: Wir haben zuletzt viele Jobs geschaffen – 33.000 von Jänner bis Dezember. Jeder Ar- beitslose ist einer zu viel, aber: Gerade bei den Jugendlich­en ist viel gelungen, in manchen Bereichen sinkt die Arbeitslos­igkeit sogar. Wie würden Sie es da als Bundespräs­ident halten? Würden Sie sich zu aktuellen Themen wie dem Arbeitsmar­kt öfter zu Wort melden?

Die Menschen erwarten, dass der Bundespräs­ident von Zeit zu Zeit zu aktuellen Themen Stellung bezieht. Wennich sage, ich will als Bundespräs­ident den sozialen Zusammenha­lt stärken und Brücken bauen, heißt das, dass ich mich bei sozialen Themen laut und öffentlich äußern will. Ich halte es für notwendig, klarzustel­len, dass die Kürzung der Mindestsic­herung 70.000 Köpfe betrifft. Da geht’s um zigtausend­e Kinder. Das große Thema im Wahlkampf wird die Flüchtling­skrise sein. Andreas Khol hat seine Position bezogen, er will der Anwalt der Besorgten sein. Wie geht’s Ihnen damit? Ist das Thema geeignet für einen Präsidents­chaftswahl­kampf?

Bis April werden noch andere Themen auftauchen. Zur Flüchtling­skrise: Auch Khol weiß, dass wir das Problem nicht alleine lösen kön- nen. Wir brauchen dazu die EU, die Türkei, den Libanon und viele andere. Nach innen gesehen haben wir einen Beschluss gefasst – das ist die viel zitierte Zahl der 37.500. Klar ist: Wir müssen Druck auf Europa aufbauen. Schweden, Holland, Deutschlan­d und Österreich haben ein Signal gesendet – und Europa wird rascher arbeiten, die Hotspots werden funktionie­ren. Wenn also ein Bürger im Wahlkampf zu Ihnen sagt: „Wir brauchen eine Obergrenze, weil Europa nicht in die Gänge kommt“, dann antworten Sie: 2016 wird es besser werden.

Es muss besser werden – und ja, es wird besser. Wir haben schon heute deutlich weniger Menschen an unserer Grenze. ... weil gerade Winter ist.

Entschuldi­gung, es wäre naiv zu glauben, dass nocheinmal 100.000 kommen. Das wird so nicht passieren. Aber es ist nicht unwahrsche­inlich, dass just am Höhepunkt des Wahlkampfs die viel diskutiert­e Zahl von 37.500 Asylanträg­en erreicht ist?

Reden wir darüber, wenn es so weit ist. Ich sage: Wir haben noch einen EU-Rat, die Hotspots werden aufgestell­t, alle werden ihren Beitrag leisten. Und dann wird die Kaskade der Wanderung eine andere sein. Nachdem wie Österreich auch alle anderen betroffene­n Länder klare Signale ausgesandt haben, ist die Botschaft angekommen. Europa hat die Botschaft gehört, warten wir auf den nächsten EURat. Ich glaube jedenfalls nicht, dass wir ein Europa wollen, wo an allen Grenzen wieder Militär steht. Die FPÖ schickt Norbert Hofer ins Hofburg-Rennen. Würden Sie ihn als Minister angeloben?

Hofer wäre ministrabe­l, er ist ja auch Dritter Nationalra­tspräsiden­t. Ich kenne ihn gut aus dem Sozialauss­chuss, allerdings spricht er in sozialen Angelegenh­eiten oft anders als bei ideologisc­hen Grundsatzf­ragen. Gibt’s ein Fairness-Abkommen?

Ich hoffe ja. Es sollten keine verbalen Unter- und Übergriffe stattfinde­n. Die Rahmenbedi­ngungen müssen wir aber noch abstecken.

 ??  ?? Hundstorfe­r nahe der Hofburg: Sozialer Aufstieg sei weiter möglich, sagt der SPÖ-Kandidat. Bei Sozialthem­en würde er sich als Staatsober­haupt laut und öffentlich zu Wort melden
Hundstorfe­r nahe der Hofburg: Sozialer Aufstieg sei weiter möglich, sagt der SPÖ-Kandidat. Bei Sozialthem­en würde er sich als Staatsober­haupt laut und öffentlich zu Wort melden
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Frühstück: Hundstorfe­r nimmt Tee und ein Schinkenst­angerl mit Kren

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