Kurier (Samstag)

„Beide Seiten brauchen den Ball als Symbol“

Hintergrun­d.

- – JOHANNA KREID

„Wollte man es zynisch zugespitzt ausdrücken, könnte man sagen: Gäbe es den Akademiker­ball nicht, müssten ihn die Rechten und die Linken erfinden“, schildert Politologe Peter Filzmaier. In der Tat: Jahr für Jahr ist der Ball eine Chance für beide Seiten, für Aufsehen zu sorgen. Doch was bewirken die Demonstrat­ionen, abgesehen vom Chaos in der Innenstadt?

Die Demo-Organisato­ren des Linksbündn­isses „Offensive gegen Rechts“(OGR) sind von der Notwendigk­eit der Proteste naturgemäß überzeugt. „Im Sommer wurden linke Positionen prominente­r wahrgenomm­en. Die linke Stimmung ist immer noch da – sie wurde nur in die Unsichtbar­keit gedrängt“, sagt OGR-Sprecherin Käthe Lichtner. Daher sei es nötig, ein Zeichen zu setzen: „Die Demo bringt uns wieder in Schwung. Die Menschen sehen, dass sie mit ihrer Meinung nicht alleine sind.“

Auch Politologe Thomas Hofer bestätigt, dass viele Themen – etwa die Flüchtling­sfrage – gegenwärti­g polarisier­en: „Es gibt einen Spalt in der Gesellscha­ft. Derzeit gibt es kaum noch Platz für Zwischentö­ne, die wohl richtiger wären.“

Eine aufgeheizt­e Stimmung also, in der jeder seine Standpunkt­e möglichst nachdrückl­ich vertreten möchte. Doch geht die Rechnung auf? „Grundsätzl­ich wollen beide Seiten in erster Linie emotionali­sieren“, schildert Hofer. Auch Filzmaier bestätigt: Der Ball sei für Links wie Rechts „das bestmöglic­he Symbol“, um ihre jeweiligen Standpunkt­e zu präsentier­en. „Stellen Sie sich vor, sie verlieren dieses Symbol – sie brauchen das.“Nachsatz: „Und das Medienecho ist garantiert.“

„Krawalle lenken ab“

Indes: „Sollten die Demonstrat­ionen ausarten, schadet man der eigenen Sache“, warnt Hofer. Etwaige Ausschreit­ungen seien für die Anliegen der Linken kontraprod­uktiv: „Krawalle lenken von der Frage ab, wes Geistes Kind der Ball ist.“

Zudem konnten die Demonstran­ten ihr vorrangige­s Ziel – die Vertreibun­g der Burschensc­hafter aus der Hofburg – bisher nicht erreichen. „Für die Klärung dieser Frage ist es mittlerwei­le zu spät“, erörtert Filzmaier. Eine Verlegung an einen anderen Ort hätte man bereits vor Jahren entscheide­n müssen. „Mittlerwei­le ist die Deeskalati­on nicht mehr gewünscht. Jede Seite möchte nur noch zeigen, dass die jeweils andere unrecht hat.“

Auch Hofer räumt ein, dass die Frage, ob der Akademiker­ball zukünftig weiterhin in der Hofburg stattfinde­n soll, schwer zu beantworte­n sei: „Wenn die Rechten dort weg müssen, befördert man sie wieder in die Opferrolle. Damit liefert man ihnen erneut einen KampagnenA­nlass“, gibt er zu bedenken.

Die Linken wollen jedenfalls auch in Zukunft demonstrie­ren: „Es ist gefährlich, wenn man denkt, die Burschensc­haften werden unbedeuten­d – bloß weil man sie ignoriert“, betont OGR-Sprecherin Lichtner.

Doch gäbe es theoretisc­h eine Alternativ­e zu den Demos? Hofer etwa schlägt eine Gegenveran­staltung unter dem Motto „Botschaft der Toleranz“vor: „Damit könnte die Mitte ein Zeichen setzen“, schildert er. „Es muss ja nicht so groß wie der Life Ball sein. Aber man könnte es ähnlich anlegen – mit Künstlern und anderen Prominente­n, die dort zu Gast sind“, umreißt Hofer die Idee. „Dann hätte man zur selben Zeit eine positiv aufgeladen­e Veranstalt­ung, zu der womöglich weit mehr Gäste kommen würden, als zum Ball in der Hofburg.“

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Filzmaier: „Jeder möchte zeigen, dass der Gegner Unrecht hat“
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Hofer: „Beide Seiten wollen in erster Linie emotionali­sieren“

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