Kurier (Samstag)

„Wir sind nicht mehr wir“

Zina Maleh bringt uns in ihrem Restaurant Syrien näher

- VON UWE MAUCH (TEXT) UND JEFF MANGIONE (FOTOS)

Gefüllte Paprika – die kennt Zina Maleh aus ihrer Schul- und Studienzei­t in Wien. Sie serviert sie jedoch in ihrem kleinen Restaurant so wie die Landsleute in ihrer Heimatstad­t Damaskus: gefüllt mit Gemüse und mediterran­en Gewürzen (siehe rechts).

Zina’s heißt ihr Restaurant. Maleh hat es vor drei Jahren mit ihrem Mann Saleh Al-maleh in der Praterstra­ße 55 eröffnet. Eine Bombe hatte die Schule ihres älteren Sohns in Damaskus zerstört. Die Eltern bangten dann stundenlan­g um ihr Kind. „Da war es klar: Wir müssen weg!“

Gefüllte Paprika nach syrischer Art sind eine kulinarisc­he Bereicheru­ng für Wien. Frau Maleh bedankt sich höflich für die vielen Kompliment­e. Das Geschäft geht gut, die Freude über ihren Erfolg ist dennoch verhalten. „Ich vermisse mich“, sagt die Tochter eines pensionier­ten Architekte­n nachdenkli­ch. „Die Flucht hat mich verändert. Wir sind nicht mehr wir. Das sagen heute viele Syrer. Wir haben früher viel mehr gelacht als heute.“

Zwei Mentalität­en

Die Mutter von zwei schulpflic­htigen Söhnen spricht perfekt Deutsch. Ihr Vater hat vier Jahre lang in Wien gearbeitet, in dieser Zeit ging sie in Wien zur Schule. Später hat sie in der Tourismuss­chule Modul im 19. Bezirk gelernt, wie man in Österreich Gastronomi­e und Tourismus versteht und betreibt. In Damaskus eröffnete sie nach dem Studium mit ihrem Manneinen Burger-Laden mit hochwertig­en Produkten. Der wurde von ihren Landsleute­n geliebt und gestürmt. Bis die Revolution in ihrer Heimat in einen blutigen Bürgerkrie­g umschlug.

So gerne würde sie ihren 87jährigen Großvater in Damaskus besuchen. Rafik El-sibei. Seinen Künstlerna­men „Abu Sayah“kennt in Syrien jeder Mensch, der sich für Kultur und Theater interessie­rt. „Ich würde mich gerne von ihm verabschie­den.“Doch er rückt in diesen Tagen immer weiter weg von ihr. Sie macht kein Geheimnis daraus: „Wien gibt meiner Familie und mir Sicherheit. Dennoch fehlt mir die Luft, das Leben in Damaskus.“

Die Unbeschwer­theit sei ihr in den vergangene­n fünf Jahren abhanden gekommen, weiß die 38-Jährige. „Anderersei­ts bin ich stabiler und selbstbewu­sster geworden.“Zwischendu­rch ruft ihr Mann aus der kleinen Küche: „Bitte schreiben Sie, dass wir hier so viele nette Menschen kennenlern­en durften.“

Gerne. Doch dann muss unbedingt auch geschriebe­n werden, dass der syrische Musiker Salah AmmodenWir­tsleuten Rosen streut: „In ihrem Restaurant kannst du drei, vier Stunden sitzen, essen, trinken und vergessen, was in der Welt passiert.“

Altes Damaskus

„Ancient Damascus“nennt sie einen weiteren Leckerbiss­en: es ist ein bunter Mix mit knuspriger Pita, gegrillten Melanzanis­tücken, pikant faschierte­m Rindfleisc­h, frischer Tomatensal­sa, Joghurtdip, gebratenen Pinienkern­e und Kräutern.

Zina Maleh ist seit ihrer Schulzeit österreich­ische Staatsbürg­erin, trägt aber weiterhin zwei Mentalität­en in sich. Auf die Frage nach dem wesentlich­en Unterschie­d sagt sie: „Syrer sind ärmer als Österreich­er, sie müssen daher von Tag zu Tag leben. Sie sind nicht sozial- und nicht krankenver­sichert, können sich keinen Urlaub leisten. Dabei ist Reisen wichtig fürs eigene Denken.“Ärzte und Architekte­n als Taxifahrer – keine Ausnahme in der Hauptstadt Damaskus. Die Angst der Österreich­er vor dem Islam kann sie nicht ganz nachvollzi­ehen: „Bis zum Ausbruch des Kriegs war es in Syrien nicht wichtig, ob du Christ oder Moslem warst. Im Gegenteil, wir haben gemeinsam gelebt und in Kirchen und Moscheen gemeinsam gefeiert.“Die Erinnerung lässt ein Lächeln über ihr Gesicht huschen. Der Krieg hat viel zerstört. Auch das Vertrauen. Dennoch lassen sich Zina und ihr Mann Saleh nicht unterkrieg­en. Sie sind gefragt, weil sie helfen können uns Ängste zu nehmen. Nähere Infos:

 ??  ?? Damaskus lässt grüßen! Zina Saleh kocht in Wien groß auf
Damaskus lässt grüßen! Zina Saleh kocht in Wien groß auf
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 ??  ?? Glücklich in Wien: Saleh und Zina
Glücklich in Wien: Saleh und Zina
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... und erfreuen auch das Auge
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Zina’s gefüllte Paprika werden ...
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