Kurier (Samstag)

Wie viel Traum mu

Mit Arbeit verdient man Geld, sucht Anerkennun­g, Selbst

- VON MAGDALENA VACHOVA

Ein Mann, angesehene­r Herzchirur­g, Mitte 50, kommt eines Tages drauf, dass seine große Leidenscha­ft das Lkw-Fahren ist. Also zieht er die für ihn einzig wahre Konsequenz: Er wird Lkw-Fahrer und glücklich.

„Inspiriere­nd, beflügelnd! Man kann also doch den Traumjob finden, es braucht nur Mut“, kommentier­t Autor und Vortragend­er Volker Kitz diese Geschichte vor Kurzem in einem Spiegel- Artikel. Sein nächster Satz holt die Leser auf den Boden zurück: „Stellen wir uns vor, diese Geschichte hätte umgekehrt begonnen.“Es ist beinahe unmöglich, als 56-jähriger LkwFahrer Herzchirur­g zu werden. Die Chance auf die Erfüllung im unerreichb­aren Job ist schwindend klein.

Die Gesellscha­ft bestünde eher aus Menschen, so Kitz, die ihre Jobs nicht so einfach wechseln können. Solche Geschichte­n seien verzerrend und brächten sie unbegründe­t ins Grübeln. Denn nun erwarten auch sie das ultimative Glücksgefü­hl im Job. Kitz will beruhigen: „Man muss für seinen Job nicht brennen.“

Ein Satz, der zum Nachdenken anregt. Braucht es wirklich kein Feuer im Job? Ist die Ansicht, seine Tage mit etwas zu füllen, das die Augen glänzen und das Herz schnell pumpen lässt, überholt? Anderersei­ts: Wer immer nur nach diesem Glänzen lechzt, wird bald an seine Grenzen stoßen – und verzweifel­n. Wie viel Traum muss also im Job stecken?

Der Traum vom Traumjob

Mit dieser Frage beschäftig­t sich die Gesellscha­ft noch nicht so lange. Etwa 20 Jahre ist es her, da waren Geld, Ansehen und Aufstieg die Haupttreib­er der Motivation. Selbstverw­irklichung? Sinn- und Glückssuch­e? Die verlegte man in die Freizeit. Doch die Zeiten ändern die Menschen. Heute darf es nicht weniger als der Traumjob sein, beten uns Ratgeber und Coaches vor. „Dieses Thema entwickelt­e sich ähnlich wie die Ehe: Früher heiratete man aus rationalen Gründen. Heute muss der Partner sexuelle Anziehung, Intellekt und Humor mitbringen, muss uns verstehen und die Sünden vergeben“, sagt Sinnforsch­erin Tatjana Schnell, Professori­n an der Uni Innsbruck. „Wir haben auch in der Arbeit ähnlich überhöhte Erwartunge­n. Wir erwarten nicht nur sinnerfüll­tes Arbeiten, wir wollen, dass Arbeit allein un-

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria