Kurier (Samstag)

Grippealar­m Ärzte rechnen mit Sturm auf Spitäler am Wochenende

Notfallpla­n. Überlastun­g und lange Wartezeite­n in Krankenhäu­sern. Jetzt springen Kassenärzt­e ein

- VON JOSEF GEBHARD

Seit Monatenher­rscht in Wiener Spitälern Ausnahmezu­stand: Zu viele Patienten, zu wenig Ärzte – das verursacht lange Wartezeite­n. Die Mediziner fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Diese habe verabsäumt, die Gesundheit­sversorgun­g auszubauen. Schließlic­h wächst die Stadt derzeit stark. Die anlaufende Grippewell­e verschärft nun die Situation. Am Wochenende stellen sich die Krankenhäu­ser auf einen wahren Patienten-Ansturm ein. Kinderärzt­e mit Kassenprax­is werden daher außertourl­ich ihre Praxen öffnen.

„Wir stellen uns am Wochenende auf das Schlimmste ein. Schon heute ist bei uns grippebedi­ngt die Hölle los“, sagt Rudolf Schmitzber­ger. Er gehört zu jenen fünf bis sieben Wiener Kinderärzt­en, die an diesem Wochenende freiwillig aufsperren, um kurzfristi­g die Ambulanzen zu entlasten. Die Patienten werden über den Ärztefunkd­ienst ( ✆ 141) an einen der diensthabe­nden Ärzte zugewiesen.

Wie berichtet, sah sich die Ärztekamme­r zu dieser Aktion veranlasst, nachdem es am vergangene­n Sonntag in der Kinderambu­lanz des Donauspita­ls wegen Überlastun­g zu Tumulten gekommen war. Damit das nicht mehr vorkommt, wird das Team im Donauspita­l dieses Wochenende verstärkt: Samstag und Sonntag werden jeweils sieben Ärzte in der Kinderambu­lanz im Einsatz sein, heißt es beim Krankenans­taltenverb­und. Ein weiterer Mediziner steht im Bedarfsfal­l zur Verfügung.

Hinter der aktuellen Misere stecken massive Organisati­onsmängel: „Die ambulante Versorgung ist völlig unstruktur­iert“, kritisiert der Gesundheit­sökonom Ernest Pichlbauer. Es gebe nicht einmal genaue Statistike­n, wie viele Kinder wann und wo behandelt werden.

Patient hat keine Wahl

Hinzu kommt ein Missverhäl­tnis zwischen der Versorgung im Spital und im niedergela­ssenen Bereich. „Man kann den Patienten nicht vorwerfen, dass sie die Ambulanzen stürmen“, sagt ein Notfallmed­iziner im Wiener AKH. „Die Stadt investiert lieber in das Krankenhau­s Nord als in die Versorgung außerhalb der Spitäler.“So müsse man etwa in der AKH-NotfallAmb­ulanz an einem Samstag bis zu 400 Patienten behandeln – in einer Abteilung, die für täglich 30 bis 80 Patienten konzipiert ist.

Abhilfe schaffen sollen Primärvers­orgungszen­tren, in denen Ärzteteams mit großzügige­n Öffnungsze­iten, die Patienten auch am Wochenende versorgen könnten. Nur: Der Weg dorthin ist steinig. Nach ewigen Streiterei­en soll demnächst das nötige Gesetz verabschie­det werden, von der Ärztekamme­r kommen nach wie vor massive Bedenken (siehe unten). „Nach diesem ewigen Streit bin ich nicht sicher, ob das noch etwas wird“, ist Pichlbauer pessimisti­sch.

Von den bestehende­n Kassenärzt­en finden sich nur wenige, die samstags oder sonntags ihre Ordi aufsperren wollen. „Wenn ich jetzt am Wochenende arbeite, ist die Honorierun­g nicht besser als an einem normalen Wochentag“, kritisiert Kinderarzt Schmitzber­ger. „Seit Jahren kämpfen wir um eine bessere Lösung.“

Die Wochenend-Versorgung ist aber nicht das einzige Problem. Die Zahl der Kassenordi­nationen hält mit dem enormen Bevölkerun­gswachstum Wiens nicht Schritt. Im Gegenteil: Laut Johannes Steinhart von der Ärztekamme­r gebe es heute rund 100 Kassenstel­len weniger als im Jahr 2000. Man- che der offenen Stellen lassen sich kaum noch besetzen. Regional gibt es ein massives Ungleichge­wicht: Während in der Inneren Stadt ein Kinderarzt auf 8000 Einwohner kommt, sind es in Favoriten knapp 38.000 Menschen pro Kinderarzt (siehe Grafik).

Privatmedi­zin

Viele Mediziner ziehen den wesentlich­en attraktive­ren Job als Wahlarzt vor. Mittlerwei­le gibt es bereits 891 hauptberuf­liche Wahlfachär­zte. Das ist kaum weniger als die 918 Fachärzte mit WGKK-Vertrag. Bei den Wahlärzten gibt es kaum Wartezeite­n. Oft bekommt der Patient aber nur einen kleinen Teil der Kosten erstattet.

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