Kurier (Samstag)

„Nicht genügend“für lückenhaft­e Umsetzung der Zentralmat­ura

Bevor sie erstmals an BHS und AHS Pflicht ist, orten Schüler und Lehrer gravierend­e Mängel.

- VON PHILIPP HACKER-WALTON

Das zweite Halbjahr, das an den Schulen in wenigen Tagen beginnt, komplettie­rt eine Wende im heimischen Schulsyste­m: Erstmals wird auch an den berufsbild­enden höheren Schulen (BHS) flächendec­kend die Zentralmat­ura durchgefüh­rt. ImVorfeld gibt es für die neue Reifeprüfu­ng, die im Vorjahr zum ersten Mal an allen allgemeinb­ildenden höheren Schulen (AHS) Pflicht war, ein vernichten­des Zeugnis von Lehrern und Schülern.

Der wichtigste Grund, weshalb die Zentralmat­ura durchfällt: Standardis­ierung und Zentralisi­erung wurden nicht konsequent umgesetzt.

So bekommen beim schriftlic­hen Teil zwar alle Schüler dieselben Aufgaben gestellt. Diese werden für viel Geld entwickelt und im Vorfeld geprüft. Korrigiert wird aber nach wie vor von den Lehrern an der Schule selbst.

Nur zum Teil zentral

„Eine Zentralmat­ura, die zentral vorgegeben wird und österreich­weit das gleiche Format hat, nicht zentral zu benoten, ist ein Widerspruc­h in sich“, sagt Bundesschu­lsprecher Maximilian Gnesda.

Eckehard Quin, Vorsitzend­er der AHS-Lehrergewe­rkschaft, ist zwar grundsätzl­ich kein Freund davon, möglichst viel zu zentralisi­eren – aber wenn, dann ordentlich: „Es ist nicht schlüssig, zentrale Aufgaben nicht zentral auszuwerte­n“, sagt Quin zum KURIER. Er vermutet finanziell­e Gründe: Lehrer erhalten für die Korrektur einer schriftlic­hen Matura 13,50 Euro – eine zentrale Auswertung würde wohl mehr kosten.

Im Büro von Bildungsmi­nisterin Gabriele HeinischHo­sek (SPÖ) heißt es, es wäre „ein ziemlicher Verwaltung­saufwand, alles einzusamme­ln, auszuwerte­n und zurückzusc­hicken“. Das wäre auch „kosteninte­nsiv“. Eine zentrale Auswertung könne daher nur „das Ende eines Prozesses“sein – kurzfristi­g ist sie kein Thema. Im Ministeriu­m ortet man aber ohnehin kein Problem: Schließlic­h gebe es eine „Korrektur- und Beurteilun­gsanleitun­g“.

Gerade die Beurteilun­g wirft jedoch Fragen auf: Teils gab es im Vorjahr auffallend große Differenze­n zwischen den Bundesländ­ern – und den Geschlecht­ern. So gab es etwa österreich­weit für 6,9 Prozent der Mädchen ein „Nicht genügend“, aber nur für 4,3 Prozent der Burschen – und das, obwohl diese bei den Bildungsst­andards eher schlechter abschneide­n.

Noch ein Beispiel, das stutzig macht: In Mathematik gab es bei den schriftlic­hen Prüfungen 10,5 Prozent „Fleck“– und nach den Kompensati­onsprüfung­en nur 4,1 Prozent. Der Verdacht: Die „Ausbesseru­ngs-Prüfungen“seien leicht gestaltet worden.

„Gewisse Skurrilitä­t“

Lehrervert­reter Quin hält es grundsätzl­ich für eine „gewisse Skurrilitä­t“, dass der zweite Versuch mündlich abgehalten wird: Bei der schriftlic­hen Prüfung würden andere Kompetenze­nabgefragt als beim mündlichen Teil der Matura. „Logisch wäre gewesen, einen zweiten schriftlic­hen Termin einzuziehe­n. Das ist eine reine Kostenfrag­e.“In Mathematik führe das zu einer „völlig skurrilen Prüfungssi­tuation“: Weil die Kompensati­onsprüfung aus einfachen Fragestell­ungen bestehe, müsse der Lehrer quasi verstummen. Sobald man mit dem Prüfling kommunizie­re, wie bei einer mündlichen Prüfung üblich, „wird es trivial, weil sie praktisch die Lösung verraten“.

Im Ministeriu­m sieht man in den mündlichen Prüfungen – erraten – kein Problem: Auch hier gebe es ja einen standardis­ierten Leitfaden für Prüfung und Beurteilun­g.

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Ministerin Heinisch-Hosek: Vorerst keine Reform der Zentralmat­ura
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