Kurier (Samstag)

Kein Geld, keine Zukunft: Iraker kehren heim

Immer mehr Flüchtling­e fliegen freiwillig zurück in ihr Heimatland. Der „Verein Menschenre­chte Österreich“organisier­t die Heimreisen.

- VON MICHAEL HAMMERL *Name und Alter von der Redaktion geändert

„Meine Mutter ist vor acht Monaten bei einer Massendemo­nstration erschossen worden. Mein Vater ist schon lange tot. Ich habe niemanden“, erzählt Namik*. Der 23-jährige kommt ursprüngli­ch aus der irakischen Hauptstadt Bagdad. Vor vier Monaten ist er nach Österreich geflohen, weil er sonst zum Militärdie­nst hätte antreten müssen. Vier Stunden hat er im Mittelmeer auf einem überfüllte­n Schlauchbo­ot verbracht. „Ich hatte Todesangst.“1100 Euro bezahlte er den Schleppern. Österreich, so Namik, sei ein schönes Land. Bleiben will er trotzdem nicht.

Der Verein Menschenre­chte kümmert sich in Österreich um den Großteil jener Asylwerber, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehr­en wollen. ImmermehrM­igrantenne­hmendiese Möglichkei­t wahr. 2015 sind über 5000 Menschen aus freien Stücken heimgekehr­t. Im vergangene­n Monat waren es 347. Unter ihnen 128 Iraker, 45 Afghanen, aber auch acht Syrer. „Die Syrer dachten, dass ihre Familien schneller hätten nachgeholt werden können und dass das Verfahren schneller abgewickel­t wird“, sagt Günter Ecker, Geschäftsf­ührer vom Verein Menschenre­chte.

Mitarbeite­r des Vereins betreuen die potenziell­en Heimkehrer in Rückkehrbe­ratungen. „Der Großteil der Fälle wird uns vomBundesa­mt für Fremdenwes­en und Asyl zugewiesen“, erklärt Ecker. Es gäbe aber auch genügend freiwillig­e Heimkehrer. Zum Beispiel Namik: Ein Antrag auf Heimreise ist gestellt, der Verein Menschenre­chte wird den Rückflug bezahlen. Vom Innenminis­terium und der EU erhält der Verein je 893.000 Euro pro Jahr. Für die Rückkehrbe­ratungen gibt es zusätzlich­e Fördergeld­er vom Wiener Polizeianh­altezentru­m PAZ.

„Wie im Gefängnis“

Es ist noch nicht geklärt, wann Namik in den Irak zurückkehr­en soll. Er hat Anspruch auf 100 Euro, die er kurz vor Abflug erhalten wird. Diese „Reintegrat­ionshilfe“kann maximal 370 Euro betragen und wird vom Innenminis­terium festgelegt. Nur wer länger als sechs Monate in Österreich war, hat Chancen auf den Höchstbetr­ag. Für Asylwerber, die keine gültigen Papiere besitzen, müssen im Herkunftsl­and Ersatzdoku­mente beantragt werden. Unproblema­tisch sei dies bei Ländern wie Irak, Iran oder Afghanista­n, meint Günter Ecker. Weniger kooperativ sollen Marokko und Algerien sein: „Die Botschafte­n sind sehr zurückhalt­end bei der Ausstellun­g von Ersatzdoku­menten.“Zudem würden viele Algerier und Marokkaner falsche Angaben über ihre Identität machen, so Ecker.

Namik ist mit gültigen Papieren über die Balkanrout­e nach Österreich gereist. „Ich fühle mich wie im Gefängnis“, beschwert er sich über seine Unterkunft in Wien. Das Essen sei schlecht, die Unterkunft überfüllt und dre- ckig. Seit vier Monaten habe er kein Taschengel­d bekommen. Wer zu laut ist oder mit anderen Bewohnern streitet, wird bestraft: „Beim kleinsten Problem wird man hinausgesc­hmissen. Auch mitten in der Nacht.“Namik hat von all dem genug: „Ich habe das Gefühl, dass sie mich loswerden wollen.“

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Namik* (o. li.) will zurück in den Irak. Viele Migranten verlassen Österreich wieder. Ein anderer Iraker bei seiner Rückkehr auf dem Flughafen Erbil (o. re.)
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