„In allen Spitälern werden ambulante Leistungen zurückgefahren“
Interview.
Es müsse wieder attraktiver werden, als Arzt zu arbeiten, fordert Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger. KURIER: In Wien sind die Ambulanzen derzeit massiv überfüllt. Was läuft hier schief? Artur Wechselberger: Die Verantwortlichen – die Länder und die Sozialversicherungen – kommen ihrem Auftrag nicht nach. Wir haben jetzt eine Situation, wo überall gespart werden muss, so auch an Ärzten und am Pflegepersonal. Es rächt sich jetzt all das, was in den vergangenen Jahren passiert ist. Man hat etwa die Ärzte vertrieben: Ein Viertel geht nach dem Studium ins Ausland. Man hat versäumt, den niedergelassenen Bereich so auszubau- en, dass man Versorgungsproblemen in den Spitälern entgegenwirken könnte. Betrifft dieses Problem ganz Österreich?
In allen Spitälern werden ambulante Leistungen zurückgefahren, ohne dass außerhalb ausreichende Res- sourcen geschaffen werden. Was sind Ihre Lösungsansätze?
Man muss sich überlegen, wie es wieder attraktiver wird, als Arzt zu arbeiten. Hier geht es nicht nur um das Gehalt. Es geht auch um die Arbeitsbedingungen, um die Wertschätzung, für Men- schen, die über das Maß hinaus arbeiten wollen. Und es geht auch um Entwicklungschancen. Ärzte haben keine Möglichkeit, ihre Praxen so zu gestalten, wie sie glauben, dass es die heutige Medizin erfordert. Eine Möglichkeit, die Ambulanzen zu entlasten, ist die geplante Primary Health Care (PHC), wo Ärzte und andere Medizinberufe miteinander zusammenarbeiten. Warum steht die Ärztekammer diesem Projekt so skeptisch gegenüber?
Weil die Prioritäten falsch gesetzt werden. Die Politik, etwa in Wien, versteift sich zu sehr auf einzelne Zentren, in denen die Ärzte unter einem Dach zusammenarbeiten. Das sind theorielastige Sand- kastenspiele. Diese Zentren mögen zwar zum Teil ihre Berechtigung haben, haben aber nicht Priorität. Viel naheliegender ist es, bestehende Einrichtungen zu vernetzen. In der Steiermark haben wir schon ein funktionierendes Modell, das von der Ärztekammer initiiert wurde. Ähnliche Modelle könnte man auf ganz Österreich ausweiten. Steckt hinter dem Widerstand der Ärztekammer nicht auch die Angst, bei der Vertragsgestaltung für solche Zentren an Einfluss zu verlieren?
Im beschlossenen Konzept von 2014 ist die Vertragsgestaltung so festgehalten, wie sie bisher war. Jetzt will man plötzlich vom bewährten System des Gesamt- vertrages zu Einzelverträgen wechseln, die die Sozialversicherungen mit den Ärzten abschließen sollen. Das ist ein übles Spiel, um Macht auszudehnen. Es geht immer mehr um Kontrollmacht, Planungshoheit und Sanktionsmöglichkeiten. Demnächst soll das PHC-Gesetz vorgelegt werden. Braucht es ein solches Gesetz überhaupt?
Nein. Was jetzt als neu verkauft wird, steht ja jetzt schon im ASVG. Dieses müsste einfach erweitert werden. Oder das bestehende Gruppenpraxengesetz. Es ist derzeit so rigide, dass es nicht einmal möglich ist, Ärzte anzustellen oder das in der Praxis auch nichtärztliches Personal arbeiten darf.