Kurier (Samstag)

„Der Staat muss jetzt eingreifen“

Vieles wird sich ändern, einiges muss sich ändern, sagt Umweltexpe­rte Jürgen Schneider

- VON BERNHARD GAUL

Ein warmer Winter macht noch keinen Klimawande­l. Viele warme Winter ergeben aber einen klaren Trend: Unsere Umwelt und unser Klima verändern sich, und das wird dazu führen, dass schon in den nächsten Jahren, bis 2030, sich einiges ändern wird und sich einiges ändern muss, sagt Jürgen Schneider, Experte vom Umweltbund­esamt.

Die gute Nachricht, erklärt der Experte: Österreich hat beste Voraussetz­ungen, mit all diesen Problemen fertigzuwe­rden.

Was sich ändern wird

2015 war ein Rekordjahr an Wüstentage­n (über 35°C), Hitzetagen (über 30°C) und tropischen Nächten (über 20°C). „Diese Wettererei­gnisse werden häufiger werden und einige Wirtschaft­szweige vor große Herausford­erungen stellen, etwa die Landwirtsc­haft oder den Tourismus“, sagt Schneider. Die Sommer werden heißer und trockener, die Winter milder und feuchter.

„Das wird den Wintertour­ismus vor neue Herausford­erungen stellen, insbesonde­re Skigebiete in niedrigere­n Lagen wie Kitzbühel, Schladming oder Saalbach.“Der Tourismus werde mittelund langfristi­g neue Konzepte benötigen. Geeignete Skigebiete werden weniger werden, Skifahren wird vom Massenspor­t zu einem Sport für Wohlhabend­e.

Komplexe Situation

Weitaus komplexer wird die Situation für die Land- und Forstwirts­chaft. Hitze und Wassermang­el stresst die Bäume, milde Winter setzen Schädlinge­n wie dem Borkenkäfe­r weniger als strenge Winter zu. „Die Forstwirts­chaft denkt in sehr langen Zyklen. Aber auch hier finden Veränderun­gen statt. Statt Flachwurzl­er wie bei den Fichten-Monokultur­en in unseren Wäldern braucht es künftig vermehrt Tiefwurz- ler wie Laubbäume.“Auch in der Landwirtsc­haft ändert sich einiges. Beim Wein würden wir bereits sehen, dass traditione­lle Sorten verdrängt werden und sich die Anbaugebie­te langsam verschiebe­n.

Es werden hitzeresis­tentere Sorten angepflanz­t, und die Bewässerun­g, nicht nur im Marchfeld, muss weiter ausgebaut werden, um auf trockene Sommer besser reagieren zu können.

Das Gute daran, erklärt Umweltexpe­rte Schneider: Österreich ist eine reiche Volkswirts­chaft, der es leichter als vielen anderen Ländern fallen wird, auf die neue Situation zu reagieren. So ist beispielsw­eise die Wasserverf­ügbarkeit in Österreich nach wie vor sehr hoch.

Klimawande­l

Mit dem im Dezember geschlosse­nen UN-Klimavertr­ag von Paris soll die globale Erderwärmu­ng durch Treibhausg­ase aus fossilen Rohstoffen wie Öl, Gas und Kohle weit unter 2°C (im Vergleich zu den Werten vor dem 20. Jahrhunder­t) begrenzt werden. Der Zielwert liegt bei einer globalen Erwärmung von maximal 1,5°C . Tatsächlic­h ist die globale Temperatur bis jetzt bereits um rund 0,85°C gestiegen.

„Im Alpenraum sind die Temperatur­en deutlich stärker angestiege­n, da haben wir 2°C schon erreicht. Bis 2030 könnten gut ein halbes bis ein Grad dazukommen“, sagt Schneider (siehe Grafik links). Grund dafür ist, dass die Ozeane die Wärme besser in die Tiefe ableiten können und dadurch weniger stark erwärmt werden, als das auf den Kontinente­n der Fall ist.

Zudem bedeutet weniger Schnee auch weniger Reflexion von Sonnenstra­hlen und dadurch mehr Erwärmung.

Was sich ändern muss

Damit Österreich seinen Beitrag im Kampf gegen den Klimawande­l leistet, müssen vor allem einmal unsere Treibhausg­ase, die beim Verbrennen von fossilen Treibstoff­en wie Öl, Gas und Kohle entstehen, vermieden werden.

„Das wird nicht von alleine geschehen, hier muss die Politik handeln, und das wird auch schon bis 2030 Auswirkung­en auf alle Gesellscha­ftsbereich­e haben“, erklärt Umweltexpe­rte Schneider.

Für Neubauten gäbe es zum Beispiel „keinen Grund, noch immer eine Energiever­sorgung mit fossilen Brennstoff­en vorzusehen“, unterstrei­cht er eine Forderung von WIFO-Chef Karl Aiginger. „Es ist derzeit zwar billiger, auf Öl- oder Gasheizung­en zu setzen, aber genau deswegen muss der Staat eingreifen.“Generell würde sich Schneider eine ökosoziale Steuerrefo­rm wünschen, die den Faktor Arbeit in Österreich entlastet, dafür aber speziell fossile Energien stärker belastet. Deshalb müsse niemand auf Komfort verzichten. Technisch sind PlusEnergi­ehäuser, die durch alternativ­e Energiefor­men wie Geothermie, Solar oder Fotovoltai­k mehr Energie erzeugen, als sie verbrauche­n, bereits umsetzbar.

Größter Brocken, nicht nur bei Österreich­s CO2Emissio­nen, sei aber die Mobilität. Da müsse an vielen Stellschra­uben gedreht werden, E-Autos und bessere Batterien seien nur ein Teil der Lösung. Hier sei aber schon Bewegung erkennbar. „Das Auto ist längst nicht mehr wie früher ein Statussymb­ol.“Immer mehr Jugendlich­e im urbanen Bereich würden bereits auf Führersche­in und Auto verzichten. „Bis 2030 werden wir auch hier deutlich weiter sein. Und ich kann mir vorstellen, dass z. B. die ÖBB sich in Richtung eines Mobilitäts­dienstleis­ters entwickelt, der mir nicht einfach ein Bahnticket verkauft, sondern dafür sorgt, dass ich möglichst angenehm und einfach von A nach B komme.“

Jetzt brauche es eine Energiewen­de. Technologi­sch sei diese bereits möglich, „aber von allein wird das nicht passieren. Wir müssen diese Transforma­tion des Energiesys­tems deshalb auch als gesellscha­ftliche Aufgabe bergreifen, und das mit Kraft und Freude vorantreib­en. Dagehtes umInvestit­ionen, um Arbeitsplä­tze, um Know-how. Wir müssen es nur wollen.“

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Schneider: „Von alleine wird die Energiewen­de nicht geschehen“
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