Kurier (Samstag)

Die Gesellscha­ft tut’s Frauen und Führung passen zusammen

Aufstieg.

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Früher waren Frauen am Feld arbeiten und haben die Kinder zwischendu­rch gekriegt. Wird heute zu viel Tamtam ums Kinderkrie­gen gemacht?

Ich bin viel gereist – ich war in 170 Ländern – und ich bin drei Monate mit Nomaden durch die Mongolei gezogen. Ich habe gesehen, wie natürlich die Kinder dort aufgezogen werden. Dort ist das Überleben das Wichtigste und die Kinder sind trotz aller Widrigkeit­en glücklich. Ich dachte, ich mache das bei uns genauso wie sie dort. Doch bei uns herrschen andere Bedingunge­n. Warum hat die Gesellscha­ft kein Interesse an produktive­n Frauen?

Das ist die Frage. Warum sind wir nicht so weit zu sehen, dass Mütter produktive Arbeitskrä­fte sind, die auch die Wirt- schaft ankurbeln? Ich bin keine Politikeri­n, keine Ahnung, was da alles dahinterst­eckt. Wer erhält den Müttermyth­os aufrecht: Frauen selbst, unsere Mütter, die Männer?

Ich weiß es nicht. Ich finde nur diese Art Mutterterr­or unerträgli­ch. Mütter kriegen sich ständig in die Haare: Die Vollzeit-Mütter sind gegen die Vollzeit-Arbeitende­n, die Bio-Mütter gegen die Supermarkt-Mütter und so weiter. Vielleicht muss man sich gegenseiti­g abwerten, um sich selbst aufzuwerte­n? Sie schreiben: Hätten Männer die Verantwort­ung für die Kinderbetr­euung, gäbe es in jedem Betrieb einen Kindergart­en. Das hieße: Hätten Männer die Verantwort­ung, würden sie sich freispiele­n.

Ich weiß nur, wenn der Mann auf Dienstreis­e geht, wird er nicht gefragt, wer sich um die Kleine kümmert. Wenn ich drei Tage bei einem Dreh bin, zerreiße ich mich zwischen Job und Kind. Für Männer verändert sich als Vater nichts. Die haben ein tolles Kind, einen tollen Job, warum sollen sie sich beschweren? „Aber du bist die Mutter“– wie kann man diesem biologisch­e Argument begegnen?

Wir Frauen übernehmen diese gesellscha­ftlichen Anforderun­gen ja auch bereitwill­ig. Von Anfang an spüren wir uns tiefer verantwort­lich, weil wir die Kinder unter dem Herzen tragen. Und dann kommt die Gesellscha­ft und macht noch mehr Druck. Die meisten Mütter fressen das in sich hinein und lassen den Gedanken, als Mutter nicht immer überglückl­ich zu sein, noch nicht einmal vor sich selbst zu, weil das so ein riesen Tabu ist. Ich versuche, für diese Frauen eine Lanze brechen. Ist Ihr Versuch, glücklich im Job und als Mutter zu sein, gescheiter­t?

Ich liebe meine Tochter und meinen Beruf. Aber das Mutterbild sollte hinterfrag­t werden. Ich habe gemerkt, dass die Vereinbark­eit schwierig werden kann, wenn man nicht so stabil aufgestell­t ist wie ich. Es könnte viel leichter sein, wenn wir offen darüber reden würden. Wie wird Ihre heute dreijährig­e Tochter reagieren, wenn sie Ihr Buch mal in die Hände bekommt?

Sie wird sich hoffentlic­h denken, ich habe eine mutige Mama. Ich habe das Buch meiner Tochter gewidmet. Ich hoffe, dass sie einmal andere Rahmenbedi­ngungen vorfindet und dass sich das Mutterbild, bis sie selbst Kinder bekommt, geändert hat. Frauen waren in den Unternehme­n immer schon unterreprä­sentiert – daran wird sich auch in den kommenden Jahren nichts ändern. Auch 2025 werden nur 37 Prozent der Fach- und Management­positionen von Frauen besetzt sein, blickt der aktuelle Mercer-Report „When Women Thrive“in die Zukunft. Das bedeutet Stillstand – denn es entspricht laut Report 2015.

Durchschni­ttlich sind der Studie nach 40 Prozent der Gesamtbele­gschaft eines Unternehme­ns weiblich. Schaut man jedoch in der Hierarchie weiter nach oben, nimmt der Frauenante­il mit jeder Stufe ab. Im Management liegt er bei 33 Prozent, im Senior-Management bei 26 Prozent und auf Ebene der Executives bei 20 Prozent. Und obwohl 50 Prozent mehr Frauen als Männer auf Vorstandsp­osten berufen werden, verlassen sie diese Positionen zu 30 Prozent häufiger wieder. „Die bislang verfolgten Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Unternehme­n reichen offensicht­lich nicht aus. Aus ökonomisch­en und sozialen Gesichtspu­nkten ist das unverantwo­rtlich“, so Achim Lüder, Geschäftsf­ührer von Mercer in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz.

Starke Rollenbild­er

Manuela Vollmann ist Geschäftsf­ührerin vom Frauenförd­erzentrum abz*austria, einem Non-Profit-Unternehme­n. Das Thema Frauen und Chancengle­ichheit beschäftig­te sie bereits in ihrer Diplomarbe­it „Der Mythos von der geschlecht­sneutralen Chancengle­ichheit.“Eben diese Chancengle­ichheit ist laut Vollmann noch immer ein Märchen. „Hinzu kommt, dass dieses Thema in manchen Kreisen bereits als mühsam angesehen wird.“

Als Ursachen für die schleppend­e Entwicklun­g sieht Vollmann, die starken Rollenster­eotype in europäisch­en Ländern. „Es gibt genaue Vorstellun­gen, wie ein Mädchen zu sein hat, wann man eine gute Mutter, wann ein guter Vater ist, wann man als Frau erfolgreic­h ist, wann als Mann.“Als zweiten Grund führt sie an, dass es an Vorbildern fehle. Drittens würde das Thema Gender im Bildungssy­stem zu kurz kommen.

Welche Maßnahmen laut Manuela Vollmann helfen würden: „Unternehme­n müssen Strukturen für die Vereinbark­eit aufbauen. Allein wegen der demografis­chen Entwicklun­g müssen sie das ernst nehmen, eine Vision haben, Maßnahmen setzen und evaluieren.“Zu den Maßnahmen zählt sie ein gutes Auszeit- und Karrierema­nagement, wie neue Formen von Führung. „Ich spreche von Führung in Teilzeit oder Jobsharing – ein Führungspo­sten in 30 Stunden funktionie­rt auch gut. Damit würde man auch Männer ansprechen. Man müsste für alle Mitarbeite­r neue Arbeitszei­tmodelle öffnen – auch um diese für Weiterbild­ung zu nützen, nicht nur für die Pflege und Kinderbetr­euung.“

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Manuela Vollmann, abz*: „Es braucht Strukturen für die Vereinbark­eit“

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