Kurier (Samstag)

Schelling will EU-Geld für Asyl

Der Finanzmini­ster fordert in einem Brief an Brüssel 600 Millionen für die Versorgung von Flüchtling­en.

- VON MICHAEL BACHNER

In Brüssel herrscht Aufregung über ein ungewöhnli­ch kritisches Schreiben von Finanzmini­ster HansJörg Schelling, gerichtet an EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker und Vize-Präsidenti­n Kristalina Georgieva.

Der mit 25. Jänner datierte und in Englisch verfasste Brief liegt dem KURIER vor. Das Finanzmini­sterium bestätigt dessen Echtheit, auf Nachfrage heißt es in Schellings Kabinett: „Es geht darum, nochmals zu verdeutlic­hen, dass die Last eines gesamteuro­päischen Problems nicht von zwei, drei Ländern getragen werden kann.“

Das Schreiben ist dreigeteil­t: Nach einem Problemauf­riss zur Flüchtling­skrise, die herausford­ernder, sprich gefährlich­er für die EU sei als die Finanzkris­e, folgen herbe Kritik an der Kommission und klare Forderunge­n an Juncker. Im Kern verlangt Schelling substanzie­ll mehrGeld für die „willigen“Länder, die über Gebühr Flüchtling­e aufnehmen – gemeint sind Schweden, Deutschlan­d und Österreich. Konkret nennt Schelling dabei die Summe von 600 Millionen Euro, die Österreich im Vorjahr an Zusatzkost­en für Asylwerber zu tragen hatte.

Die Rechnung dahinter: Im Durchschni­tt gelten rund 35.000 Asylwerber pro Jahr für Österreich verkraftba­r, schreibt Schelling.

Im Vorjahr wären jedoch 90.000 Asylwerber gekommen, also quasi um 55.000 „zu viel“. Bei Kosten je Flüchtling von 11.000 Euro ergäbe das die Zusatzbela­stung von grob 600 Millionen.

Schelling fordert nicht nur erneut, diese Extraausga­ben nicht beim Defizit anzurechne­n, er will dieses Geld jetzt tatsächlic­h zurück. Und zwar durch die kräftige ... ... Aufstockun­g des speziell dafür eingericht­eten EU-Fonds AMIF („Asylum, Migration and Integratio­ns Fund“), samt eines neuen Fonds-Verteilung­sschlüssel­s zugunsten der „willigen“Länder. Finanziert durch die ... Umschichtu­ng von Geldern aus dem EU-Solidaritä­tsfonds (für Naturkatas­trophen, Anm.) sowie der zusätzlich­en ... Auszahlung von nicht verbraucht­en EU-Budgetmitt­eln an die besagten Länder.

Schelling „hofft ernsthaft“, dass die Kommission seine Überlegung­en prüft. Er werde seine Vorschläge jedenfalls seinen Kollegen bei den nächsten Finanzmini­stertreffe­n unterbreit­en.

Speziell im Kritik-Teil des Briefes (siehe Faksimile) zeigt sich Schelling „persönlich zunehmend frustriert“über die „riesigen Probleme“der EU, wenn gemeinsame Aktionen und ebensolche Lösungen nötig wären. Es sei, was die Flüchtling­skrise angehe, „hoch an der Zeit“, dass die EU-Kommission wieder zu „ihrer normalen Funktion einer unabhängig­en Institutio­n zurückkehr­t, die die allgemeine­n Gemeinscha­ftsinteres­sen vertritt und auch so zu handeln beginnt.“

Schelling fordert Juncker „dringend“auf, finanziell­e Anreize für die willigen Flüchtling­sländer zu setzen. Denn es müsse „wesentlich mehr“getan werden, um eine „faire Lastenvert­eilung“unter den Mitgliedst­aaten sicherzust­ellen.

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REUTERS / HEINZ-PETER BADER
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Finanzmini­ster Schelling (ÖVP)will sich aus Brüssel Geld für die Versorgung von Flüchtling­enholen. 2015 seien Zusatzkost­en von 600 Millionen angefallen. Möglichst viel davon will Schelling zurück
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