Kurier (Samstag)

Paris-Attentäter kam mit 90 Dschihadis­ten

Der mutmaßlich­e Anführer brachte laut einer Zeugin eine Killertrup­pe aus Syrien mit

- VON SUSANNE BOBEK

Am 15. November, zwei Tage nach den Attentaten von Paris, hat eine junge Frau die französisc­hen Behörden verständig­t und das Versteck der Terroriste­n in Aubervilli­ers, einem Vorort von Paris, verraten. Nach der Attacke auf den Unterschlu­pf der Terroriste­n in Saint-Denis in Paris hatte es der Pariser Staatsanwa­lt bestätigt: Dank eines „wichtigen Hinweises“habe man das Versteck entdeckt.

Am Donnerstag hat sich die unbekannte Frau, die vermutlich Mutter ist, über Radio Monte Carlo ( RMC) gemeldet. Man nennt sie Sonia. Das ist natürlich nicht ihr richtiger Name. Mit verstellte­r Stimme klagte sie, dass sie sich vom Staat verlassen fühle und das Zeugenschu­tzprogramm als unzureiche­nd empfinde. Die junge Frau fühlt sich alleingela­ssen. Sie ist auf der Flucht vor dem IS und muss um ihr Leben bangen, sie schläft in wechselnde­n Hotels und lebt unter einem neuen Namen. Unter Polizeisch­utz stehe sie nicht, sagt sie. Auch die psychologi­sche Unterstütz­ung habe man ihr nur versproche­n.

Eine Wohnung hat sie inzwischen bekommen, aber weder einen Personalau­sweis noch eine Krankenver­sicherungs­karte mit ihrer neuen Identität. So könne sie sich keine Arbeit suchen.

Sonia war die Freundin von Hasna Aitboulahc­en, 26, einer Cousine des mutmaßlich­en Chefs der Paris-Attentäter, Abdelhamid Abaaoud, 28, aus Molenbeek in Brüssel. Beide kamen bei der Erstürmung einer Wohnung am 18. November in St. Denis bei Paris ums Leben.

Als Hasna am 15. November einen Anruf von einem belgischen Handy bekommt, waren die Freundinne­n zusammen. Sie müsse ihrem Cousin helfen, sagte Hasna und fuhr mit Sonia zu einem Versteck der Terroriste­n in einem Industriev­iertel in Aubervilli­ers direkt an der Autobahn. Sonia begreift schnell, dass es sich um einen der Attentäter handeln muss.

Abaaoud habe neue Anschläge angekündig­t und gesagt, er sei mit einer großen Gruppe Extremiste­n ohne Ausweise von Syrien nach Frankreich gekommen: Deutsche, Briten, Franzosen, Syrer, Iraker. „Wir waren 90 bei der Einreise. Wir sind überall in Paris und Umgebung“, zitiert ihn Sonia. Von Hasna hätte sie auch erfahren, dass die Terroriste­n im Bürovierte­l La Defense im Westen von Paris ein Einkaufsze­ntrum und einen Kindergart­en angreifen wollten.

Da habe sie die Polizei angerufen. Das würde Sonia übrigens wieder tun: „Lieber lebe ich so, als mit dem Tod unschuldig­er Menschen auf dem Gewissen“, sagte sie Radio Monaco.

Scharfe Medienkrit­ik

In Frankreich sorgt die Ausstrahlu­ng des Interviews mit Sonia für scharfe Kritik. Es herrscht Ausnahmezu­stand. Unmittelba­r nach Veröffentl­ichung hat die Staatsanwa­ltschaft eine Untersuchu­ng wegen Gefährdung anderer eingeleite­t. Der Innenminis­ter sprach von „Geschwätz“.

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Die Wohnung in St. Denis nach der Selbstspre­ngung eines Attentäter­s
 ??  ?? Abdelhamid Abaaoud, 28, der Anführer der Paris-Attentäter
Abdelhamid Abaaoud, 28, der Anführer der Paris-Attentäter
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Hasna starb bei der Erstürmung einer Wohnung in St. Denis
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