Kurier (Samstag)

Heinisch sieht frühe Trennung als Grund für schlechte Leistungen

- VON BERNHARD GAUL

Miserable PISA-Noten. Die Empfehlung­en im Gefolge des blamablen Tests stützen ihre Reform, sagt Bildungsmi­nisterin Heinisch-Hosek.

KURIER: Die OECD kritisiert, dass jeder fünfte Schüler nicht sinnerfass­end lesen kann und Grundkennt­nisse fehlen. Da brennt doch der Bildungshu­t? Gabriele Heinisch-Hosek: Bei dieser Sonderausw­ertung von 2012 stellt die OECD zum ersten Mal fest, dass sich das differenzi­erte Schulsyste­m nicht positiv auf die Leistungen auswirkt. Die OECD empfiehlt, später zu trennen und früher zu beginnen. Und das kommt jetzt mit der Bildungsre­form?

Ja, im Kindergart­en müssen wir früher beginnen, es kommt ein Bildungsko­mpass, der jedes Kind in seiner Schullaufb­ahn begleiten wird. Und wir werden auch später die Kinder trennen, weil sich gezeigt hat, dass in gemischten Klassen bessere Ergebnisse erzielt werden. Weil die guten Schüler die schwächere­n mitnehmen und trotzdem gut bleiben. Das ist ein klarer Handlungsa­uftrag für uns. Wir reformiere­n unser System aber seit vielen Jahren ...

Messbar ist der Fortschrit­t noch nicht, wir haben das verpflicht­ende letzte Kindergart­enjahr erst seit circa fünf Jahren. Aber ich gebe zu bedenken, dass nach dem PISASchock von 2000 die Deutschen sofort Reformen begonnen haben, wir erst 2007. Die Deutschen messen jetzt Verbesseru­ngen. Die Volksschul­e ist ja eine Gesamtschu­le. Warum behebt sie die Defizite nicht?

Weil die Kinder ja im gleichen Alter nicht das gleiche Bildungsni­veau haben. Bisher wurde man mit sechs Jahren eingestuft – als Vorschüler, als Sonderschü­ler oder als Regelschül­er. Mit einem Gespräch, das ist ein bisschen wenig. Wennwir aber mit vier Jahren in das Bildungssy­stem einsteigen, wie wir das vorhaben, wird das besser klappen. Also eine Lösung ist für Sie die Gemeinsame Schule. Nur kommt diese nur für 15 Prozent der Kinder.

Wir haben vereinbart, dass wir das in Modellregi­onen machen. Es ist eine Tatsache, dass die Länder, die später trennen, die besseren Ergebnisse haben. Die Finnen trennen nach sechs Jahren, in den Niederland­en ist das ähnlich. Gemischte Klassen liefern bessere Ergebnisse als homogene. Vereinbart ist das verpflicht­ende zweite Kindergart­enjahr. Ist schon klar, ob dafür auch das Geld da ist?

Die Regierung hat sich dazu im Ministerra­t bekannt. Die Frage der Finanzieru­ng ist derzeit in Verhandlun­g. Sollten nicht mehr Budget fürs Erlernen von Rechnen, Schreiben, Lesen verwendet werden?

Wir haben Sonderbudg­ets für Sprachförd­erung, Deutsch als Zweitsprac­he. Die Budgets für andere Bereiche wie sonderpäda­gogischer Förderbeda­rf, sind bei den Ländern über den Finanzausg­leich geregelt. Mit der Bildungsre­form werden wir ein besseres Controllin­g haben, damit die Mittel gezielter eingesetzt werden. Und ich strebe ein IndexSyste­m an, in dem Schulen, die aus welchen Gründenauc­h immer mehr Ressourcen brauchen, diese auch bekommen. Das ist aber noch nicht mit der ÖVP vereinbart. Ein besseres Controllin­g soll die Leistungen verbessern?

Es gibt jetzt schon tolle Beispiele von Schulen, die mit dem gleichen Budget sehr innovativ arbeiten. Diese Eigenveran­twortung ist ein zentraler Bereich der Reform. Der Rechnungsh­of kritisiert, dass es mehr als 5000 Schulversu­che gibt, die Ausnahme in Österreich die Regel ist.

Wenn sich seit Jahren keine Einigung über neue Ansätze erzielen lässt, brauche ich Schulversu­che. Das ist unsere Krücke, um Neues auszuprobi­eren. Wir schaffen jetzt auf einen Schlag 2000 Schulversu­che ab, die alternativ­e Leistungsb­eurteilung kommt ins Regelsyste­m. Dieser Schulversu­ch ist vierzig Jahre alt. Die musste für jede Volksschul­e einzeln bewilligt werden. Auch das kann künftig einfach am Schulstand­ort entschiede­n werden. Das Gleiche passiert bei der modularen Oberstufe. Bei der Verwaltung­sreform gab es zuletzt viel Wirbel ...

Ja, da gab es leichte Irritation­en, jetzt sind wir aber auf einem konstrukti­ven Kurs und werden das bald abschließe­n können. Es wird klare Zuständigk­eiten und Verantwort­lichkeiten geben. Bleibt die Bildungsmi­nisterin oberste Schulbehör­de?

So steht es in der Verfassung, und so steht es auch im Ministerra­tsvortrag. Alles andere wäre absolut sinnlos.

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Unterricht­sministeri­n Heinisch-Hosek will auch nach der Schulrefor­m oberste Schulbehör­de bleiben: „Alles andere wäre absolut sinnlos“

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