Es donnert über Europas Banken
Die Deutsche Bank ist kein Einzelfall – die Anleger beäugen alle europäischen Institute skeptisch
Wenn Bankchefs Pleitesorgen dementieren müssen, schrillen die Alarmglocken. Erst versicherte Deutsche-Bank-CEO John Cryan nach dem Megaverlust von 6,8 Milliarden Euro, die Bank sei „grundsolide“und komme selbstverständlich all ihren Verpflichtungen nach. Zuvor hatte es Gerüchte gegeben, die Bank könnte die Zinsen auf Wandelanleihen schuldig bleiben. Um letzte Zweifel zu zerstreuen, hob Finanzchef Marcus Schenck am Freitag die Barreserven von 215 Milliarden Euro hervor und kündigte an, um 4,8 Milliarden Euro Altschulden zurückzukaufen. „Eine Beruhigungspille für Gläubiger“, kommentierten Händler.
Warum ist die Deutsche Bank unter Beschuss?
Die Aktie hat seit Anfang 2015 fast die Hälfte ihres Wertes verloren – die Bank ist an der Börse nur noch 20 Milliarden Euro wert. Sie ist damit aber kein Einzelfall. Die Kursverluste von Konkurrenten wie Credit Suisse, UniCredit oder Barclays bewegen sich in ähnlicher Dimension (siehe Grafik). Das Misstrauen der Anleger betrifft also alle europäischen Finanzwerte.
Warum verkaufen die Anleger ihre Bankaktien? Warum sind die Skandale noch nicht abgehakt? Warum ist die Deutsche Bank so wichtig? Was soll ihr künftiges Geschäftsmodell sein? –51 % –46 % –41 % –40 % –37 % –29 %
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Die Lage für Großbanken ist ungemütlich. Konjunktursorgen, EU-Krise, Regulierungskosten, neue Konkurrenten aus der IT-Welt – das lässt Zweifel keimen, wie sie künftig Geld verdienen wollen. Und es nährt Zweifel, ob alle Institute auf Dauer über- leben. Umsomehr, als die EZB lange an Null- und Negativzinsen festhalten wird. Für Aktionäre sind Banktitel somit wenig attraktiv.
Viele Probleme sind hausgemacht. Die „Deutschbanker“waren in der Vergangenheit bei fast allen Skandalen mittendrin statt nur dabei. Die Liste der Vorwürfe reicht von Beratungsfehlern über Manipulationen bei Zinssätzen, Währungskursen oder Goldmärkten bis zu Geldwäsche-Verdacht in Russland. Die Prozessrisiken und Geld- bußen sind enorm. Seit 2012 sind 12,7 Milliarden Euro aufgelaufen.
Die Bank galt als Deutschlands Visitenkarte. Das 1870 gegründete Institut wurde groß, indem es die Konzerne bei ihren Exporterfolgen in der Welt begleitete. Von diesem Geschäft hat sich die Bank aber weit entfernt, weil sie mit den großen Investmenthäusern mitspielen wollte. Sie zählt zu 34 Großbanken, die global als systemrelevant gelten und verschärfter Aufsicht unterliegen.
An dieser Frage ist schon der alte Vorstand gescheitert: Co-Chef Anshu Jain musste Mitte 2015 gehen, Jürgen Fitschen darf nur noch bis Mai 2016 bleiben. Doch auch NeoChef John Cryan blieb Antwor- ten schuldig. Ja, die Deutsche Bank steigt aus zehn Märkten aus, verkauft ihre China-Tochter. Sie fährt einen strikten Sparkurs. Aber welche Perspektiven bietet sie Kunden und Investoren? Das sei nicht geklärt, kritisiert Finanzprofessor Hans-Peter Burghof. Er sieht Chancen für eine Rückbesinnung: Konzerne sollten Banking „Made in Germany“stärker vertrauen können als angelsächsischen Investmenthäusern: „Dort muss man höllisch achtgeben. Die maximieren ihre Quartalsgewinne auch auf Kosten der Kunden.“