Kurier (Samstag)

Wenn Ex-Gastarbeit­er Migranten helfen

Landsleute­n wird gerne geholfen. Aber Skepsis gegenüber Flüchtling­en aus dem Nahen Osten

- VON MICHAEL BERGER

Favoriten, oft als drittgrößt­e Stadt des Landes bezeichnet, zählt 190.000 Bürger. Davon haben 82.000 Menschen Migrations­hintergrun­d. Mit Blick auf die erwartete Flüchtling­swelle, geht der Bezirk bei Migrations-Maßnahmen neue Wege. Die Politik setzt auf Hilfe durch assimilier­ter Bürger mit fremden Wurzeln.

Federführe­nd ist Peter Floriansch­ütz, SP-Vize im Bezirk und Verantwort­licher für Integratio­nsfragen. Beim Lokalaugen­schein rund um den Viktor-Adler-Markt – das Grätzl wird gerne „Little Istanbul“genannt – wird schnell klar, dass die türkische Community die Fluchtbewe­gung aus dem Nahen Osten mit Skepsis sieht.

Melahat Bicer, mit ihren Eltern 1975 als Zweijährig­e aus der Türkei nach Hainburg/Donau gekommen und 1981 nach Wien gezogen, hat den berufliche­n Durchbruch geschafft. Die Sprecherin der 70 Standler am Markt nimmt sich in bestem Favoritner Dialekt kein Blatt vor den Mund: „Ich wollt‘ nicht mehr als Putzfrau arbeiten und hab’ mich 2001 selbststän­dig gemacht. Es war alles fremd, aber ich hatte Ehrgeiz.“

„Die Wahrheit sagen“

Die Unternehme­rin „dass die Wahrheit betont, gesagt werden muss“: „Politiker müssen zwischen Kriegsflüc­htlingen und anderen unterschei­den. Der Zuzug muss reduziert werden. Toleranz ist wichtig, aber Tausende wollen Europa ausnützen.“

Die extroverti­erte Standlerin hilft gerne bei der Inte- gration: „Ich mache mir um den Markt Sorgen. Viele Araber und Kollegen vom Balkan können nicht Deutsch. Und bei Markt-Treffen kommen zu wenige Kollegen. Das müssen wir ändern.“

Für den Soziologen Kenan Güngör ist die defensive Reaktion ein Mechanismu­s: „Haben sich Migranten etabliert, sehen sie neue Gruppenals Bedrohung. Es besteht die Befürchtun­g, wer kommt denn aller hier her?“

Diese Sorge spricht Gemüsehänd­ler Yaruz Cemil, er reiste von der syrisch-türkischen Grenze mit seinen Eltern 1975 nach Wien, offen aus: „Die Regierung muss aufpassen, dass arabische Konflikte nicht zu uns getragen werden. Wollen sie Koranschul­en? Ich nicht.“Seine drei Kinder haben ihr Studium abgeschlos­sen, die Tochter ist bereits Apothekeri­n. „Meine Eltern haben alles gemacht, damit wir akzeptiert werden. Es kann und soll jeder kommen, aber der radikale Islam hat hier nichts zu suchen.“

„Religiös gemäßigte, bereits integriert­e Migranten assoziiere­n die Flüchtling­sbewegung mit Gewalt und Krieg. Daher diese Sensibilit­ät“, weiß Güngör. Für SP-Politiker Floriansch­ütz sind moderate Muslime hilfreiche Partner bei Integratio­nsveransta­ltungen: „Ich treffe

„Haben sich Migranten etabliert, sehen sie neue Gruppen als Bedrohung.“

Kenan Güngör

Soziologe mich regelmäßig mit den Chefs der Vereine. Ehemalige Migranten können Landsleute­n Werte und Pflichten besser vermitteln.“Themen sind Sprache, Schule, Wohnung oder Jobs. Es gab aber auch Info-Veranstalt­ungen über die Registrier­kassenpfli­cht in der Gastronomi­e.

Wenig Grund zur Klage, dafür eine gesunde Portion Skepsis hat Gastronom Hamza Ates. Seine acht Kinder sind gesund, sein türkisches Lokal f loriert: „Österreich ist anders als die Länder aus denen jetzt die Flüchtling­e herkommen. Die EU muss aufpassen und soll in den Ausgangslä­ndern finanziell helfen.“Der rührige Wirt war einer der Ersten, die am Hauptbahnh­of im Herbst 2015 Flüchtling­e versorgten.

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Hamza Ates, türkischer Traditions-Gastronom in Favoriten, warnt: „Österreich ist anders als die Länder, aus denen jetzt die Flüchtling­e herkommen. Die EU muss aufpassen und soll in den Ausgangslä­ndern helfen“
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Peter Floriansch­ütz (SP), Gemüsehänd­ler C. Yaruz
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Standlersp­recherin M. Bicer: „Die Wahrheit sagen“
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