Kurier (Samstag)

Johann Strauß klingt falsch

Ein Wiener Schatz wurde wiederentd­eckt – auch in Italien, auch in Amerika Bücher

- VON PETER PISA

„Der Engel mit der Posaune“ist der Roman eines Hauses. Das Haus ist Österreich, von Kronprinz Rudolf über Schnitzler, Freud, Schuschnig­g bis zu Hitler.

Das Haus ist auch Seilerstät­te 10 in der Wiener Innenstadt. In der sogenannte­n Wirklichke­it steht es nicht wie im Roman Ecke Annagasse, und es hat dort keinen Barockenge­l mit der langen Posaune am Haustor gegeben. Hätte aber sein können. Unddassdor­teinst Öllichter die Heiligenbi­lder beleuchtet­en, dass Plüschmöbe­l die Wohnungen füllten und ein Gemälde mit Mädchen, Kirschen zwischen den Lippen haltend, an der Wand hing – das war bestimmt so.

Es wohnten wohl auch – neben „Buchhalter­n der österreich­ischen Tradition“– Menschen im Haus, die sich einbildete­n, ein Recht auf Freude zu besitzen.

Auch gefährlich

Ernst Lothar schrieb den Roman über die (erfundene) Klavierfab­rikantenfa­milie Alt, während er – als Jude auf der Flucht – im kalifornis­chen Exil festsaß.

Vor dem Krieg war Lothar gemeinsam mit Max Reinhardt Direktor des Thea- ters in der Josefstadt, und bei Burgtheate­r-Produktion­en führte er Regie.

Mit „Der Engel mit der Posaune“(1944) wollte er zeigen, was Österreich ist. Er wollte den Amerikaner­n zeigen, dass Johann Strauß’ Tänze der Leichtigke­it schön klingen, aber falsch sind.

Er musste es auch den „späteren“Österreich­ern zeigen: „Wir“waren (sind) zwiespälti­g, auch gefährlich, himmlisch und höllisch.

Der brave, fade Franz Alt heiratet die junge Henriette, die ein G’spusi mit dem spannender­en Kronprinz Rudolf hat(te). Damit fängt alles an.

In der Verfilmung 1948 spielten Paula Wessely und Attila Hörbiger. Am Ende, 50 Jahre später, stürzt sich die Wessely angesichts der Gestapo aus demFenster. Das tat ihr gut nach der Rolle im Machwerk „Heimkehr“.

Im Roman, der viel weniger pathetisch ist, wird sie von Nazis erwürgt.

Barbarei!

Es spielten auch Paul Hörbiger (anständig) und Hans Holt (lieb) und Oskar Werner (böse) ... Ein Publikumse­rfolg. Aber ermüdend.

Der Zsolnay Verlag hat den Schatz, zuletzt 1963 veröffentl­icht, wiederentd­eckt. Anstoß war: In Italien war der „Engel“unter dem Titel „La Melodia di Vienna“2013 ein Bestseller; und 2015 lobte die amerikanis­che Presse „The Vienna Melody“.

Den Film kann man vergessen. Aber der Roman, der wurde im Laufe der Jahre immer besser! Lothars Erinnerung­en „Wunder des Überlebens“(1961) sind längst vergriffen, auch deshalb soll hier rasch nacherzähl­t werden:

Amersten Tag nach seiner Rückkehr sagte der alte Hausdiener im Bristol zu ihm: „Net amal den Heinrichsh­of, wo der Herr von Slezak g’wohnt hat, ham s’ stehen lassen, die Amerikaner – dös Bombenschm­eiß’n war do nix wia a Barbarei!“

Ernst Lothar notierte: „Ich hätte sagen sollen: Es war die Konsequenz der Barbarei! Doch ich sagte dem Herrn Steindl gute Nacht.“

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Liebe zu dritt: Jim (Henri Serre), Kathe (Jeanne Moreau) – und Jules (Oskar Werner), der überlebte
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Der Film aus 1948, mit Paula Wessely und Attila Hörbiger
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