Kurier (Samstag)

Lieber freie Kunst als großes Kapital

Mit ihrem Hit „Fickt-euch-Allee“zelebriere­n Grossstadt­geflüster am Hauser Kaibling den Ferienbegi­nn

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

ZehnMeter über demLido, einem Club in Berlin, steht es an eine Wand gesprayt: „FicktEuch-Allee“. Aber das, beteuert die Elektro-Pop-Band Grossstadt­geflüster, war nicht die Inspiratio­n hinter ihrem gleichnami­gen Hit.

„Wir sind zehn Jahre lang dran vorbeigela­ufen und haben keinen Songtitel darin erkannt“, erzählt Keyboarder Raphael Schalz im Interview mit dem KURIER. „Als Jen der Song eingefalle­n ist, kam uns das schon bekannt vor. Aber woher, ist uns erst später aufgefalle­n.“

Keinen Bock

Jen Bender, die Frontfrau des Trios, schreibt die Songs und kam auf den Titel, als ihr zu viele Besserwiss­er um sie herum auf die Nerven gingen: „Natürlich hat das mit unserer eigenen Geschichte zu tun. Aber ich glaube, jeder, der einen Vorgesetzt­en oder eine Scheiß-Schwiegerm­utter hat, kann nachvollzi­ehen, dass man manchmal keinen Bock auf Input hat.“

Für Grossstadt­geflüster kam die Pfeif-Drauf-Haltung durch die Situation rund um das vorige Album der 2003 in Berlin gegründete­n Band. „Da waren wir bei einem Major-Label“, sagt Drummer Chriz Falk. „Aber es steht uns nicht, wennmanvie­l Geld in uns hineinstec­kt, weil daran werden auch Erwartunge­n geknüpft. Zwar hat uns nie jemand vorgeschri­eben, was wir musikalisc­h tun müssen, aber uns steht es eben viel besser, wenn wir selbst die Kontrolle haben, klein, wendig und spontan bleiben. Kunst und Kapital verstehen sich einfach nicht gut.“

Das beste Beispiel dafür, sagt Bender, sei die Tatsache, dass „Fickt-euch-Allee“– gegen gängige Business-An- nahmen – ein Hit geworden ist: „Da hätte ein Major-Label gesagt, ein Song mit dem FWort geht nicht als Single, weil er nicht im Radio gespielt wird. Wir sagen: ,Der verkör- pert unser Lebensgefü­hl gerade am besten. Deshalb ist uns egal, ob er im Radio gespielt wird, oder nicht!’“

Er wurde im Radio gespielt. So häufig, dass sich Grossstadt­geflüster jetzt Gedanken darüber machen, falsch verstanden zu werden. „Man kann das Lied nicht auf alle Situatione­n beziehen. Wir sind keine Band, die so etwas im sozialen Umgang sagen würde“, merkt Schalz an.

Und Bender erklärt: „Es geht um das Individuum. Darum, dass man sich für sein Leben und seine Karriere immer wieder fragen sollte: Wo bin ich? Wowill ich hin, wo will ich nicht dazugehöre­n? Und das unbeeinflu­sst beantworte­t.“

Konträr

Veröffentl­icht wurde „Fickteuch-Allee“auf einer gleichnami­gen EP mit dem Zusatztite­l „Episode 1“. „Episode 2“soll noch heuer veröffentl­icht werden. Mehr wollen Grossstadt­geflüster zu Zukunftspl­änen nicht sagen. Denn es gibt keine. Welche zu machen, wäre konträr zu der Attitüde, die sie mit ihrem Hit propagiere­n: „Wir wollen uns von allen Regeln lösen und aus dem Bauch heraus Musik machen. Und sie veröffentl­ichen, wie es uns passt.“

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Grossstadt­geflüster ( Raphael Schalz, Jen Binder, Chriz Falk, v. li.) sind heute, Samstag, live in Österreich zu Gast

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