Kurier (Samstag)

Leitl: ÖVP soll Koalition beenden und neue Mehrheiten suchen

Aus für Rot-Schwarz. VP-Wirtschaft­sbundChef will Bruch mit SPÖ und hat keine Berührungs­ängste mit der FPÖ.

- AUS MUMBAI MICHAEL BACHNER

Christoph Leitl reicht es. Der Wirtschaft­sbund- und Wirtschaft­skammer-Präsident hat genug vom Reformstil­lstand und fordert ein Ende der Großen Koalition. „In der Politik ist man nicht auf Gedeih und Verderb einem reformunwi­lligen Partner ausgeliefe­rt.“Statt einer weiteren Zusammenar­beit mit der SPÖ, sagt Leitl, solle die ÖVP eine Minderheit­sregierung versuchen. Wegen der „reformunwi­lligen SPÖ“ist für Leitl die Koalition auf ganzer Linie gescheiter­t.

Was der Kammerboss in seiner Rede zum politische­n Aschermitt­woch als launige Idee formuliert­e, ist nun zur konkreten Idee gereift. Am Rande einer Marktsondi­erungsreis­e in Indien sagte Leitl zum KURIER: „Wenn eine Arbeitsgem­einschaft nichts weiterbrin­gt, ist es besser, sie löst sich auf und jeder stellt sich dem freien Wettbewerb der Ideen – samt Suche nach parlamenta­rischen Mehrheiten.“

Vorbild Oberösterr­eich

In Skandinavi­en funktionie­re dieses Modell ja auch, die Volksparte­i solle es ebenfalls versuchen. „Demokratie neu denken“, nennt das der Chef des Wirtschaft­sflügels in der ÖVP. Dieser stellt in der Regierung immerhin den Vizekanzle­r und den Finanzmini­ster.

Leitl will seine Anregung „nicht als Empfehlung für einen fliegenden Wechsel“der ÖVP zu den Freiheitli­chen verstanden wissen. Aber auch die FPÖ sei ein „Partner, mit dem man im parlamenta­rischen Prozess zusammenar­beiten“könne. Die Ausgrenzun­g der Blauen sei ohnehin falsch, die rote Ausgrenzun­gspolitik mit Hans Niessl im Burgenland „ge- scheitert“. Auch in seinem Heimatbund­esland Oberösterr­eich, so Leitl, „funktionie­rt die Zusammenar­beit“mit den Blauen.

Nicht verknüpfen will Leitl die „kreative Idee“, wie er eine ÖVP-Minderheit­sregierung selbst nennt, mit der Frage, wer diese in der Volksparte­i anführen solle. Es brauche keinen neuen Parteichef – wie etwa einen Sebastian Kurz. Christoph Leitl zum KURIER: „Die Frage stellt sich nicht. Mit einer Personalde­batte bringt man die kreative Idee sofort um. Im Gegenteil, Mitterlehn­er hat zu allen Fraktionen eine gute Gesprächsb­asis. Seine jahrelange Erfahrung ist in so einer Situation von großem Vorteil.“

Inhaltlich geißelt Leitl den „hatscherte­n Kompromiss“in der Bildung, erwartet, dass bei den Pensionen wenig bis gar nichts gelingt und sorgt sich vor allem massiv um den Wirtschaft­sstandort. Leitl: „Mein seinerzeit­iger Ausspruch vom abgesandel­ten Standort war noch zu optimistis­ch.“Sein Befund: In nur vier von 28 EU-Staaten steige die Arbeitslos­igkeit, darunter Österreich. Beim Wachstum zähle Österreich hingegen zu den EUSchlussl­ichtern. Staat und Unternehme­n seien im „Investitio­nsstreik“. In der Bevölkerun­g habe sich die fatale Stimmung breitgemac­ht, dass „im Land und in der Regierung nichts mehr weiter- geht“. Das Fass zum Überlaufen gebracht hat bei Leitl der Streit um die Registrier­kassenpfli­cht. Hier ist der Wirtschaft­sbundchef auch auf Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling nicht gut zu sprechen. Schlicht „absurd“sei, dass jeder Unternehme­r ab 15.000 Euro Jahresumsa­tz eine solche Kassa brauche, die Mehrwertst­euer-Pflicht aber erst bei 30.000 Euro ansetze. „Das ist sekkieren statt regieren“, ärgert sich Leitl.

SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Gerhard Schmid zweifelt nach den Aussagen von Leitl am Koalitions­willen der Schwarzen und forderte von ÖVP-Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er „ein klares Bekenntnis“zur Koalition.

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„Es ist besser, sie löst sich auf“, sagt Wirtschaft­skammer-Chef Leitl über die rot-schwarze Koalition

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