Kurier (Samstag)

Pensionen: „Wir müssen etwas tun“

Pensionsgi­pfel. Ein großer Wurf zeichnet sich nicht ab – Experte Marin warnt, dass Untätigkei­t teuer werden kann

- VON PHILIPP HACKER-WALTON

Am Freitag gab es die erste Verhandlun­gsrunde zwischen Sozialmini­ster Alois Stöger (SPÖ) und Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP). Sie soll „konstrukti­v“verlaufen sein, hieß es danach in Verhandler­kreisen.

Was wollen die Koalitionä­re vor dem Gipfel am 29. Februar? Und welche Schritte wären nötig?

Brauchen wir aktuell überhaupt eine Reform?

Das sagt die SPÖ: Mansieht keinen akuten Handlungsb­edarf. Das faktische Pensionsal­ter sei zuletzt gestiegen; Maßnahmen zur Sicherung seien „auf Schiene“. Das sagt die ÖVP: Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling warnt, man müsse heute etwas tun, damit die Pensionen auch in zehn, zwanzig, dreißig Jahren sicher sind. Das sagt der Experte: „Das Pensionssy­stem ist auf dem Weg der Besserung – aber noch lange nicht nachhaltig gesundet, darüber besteht unter Fachleuten kein Zweifel“, sagt Pensionsex­perte Bernd Marin zum KURIER.

Soll die Berechnung­sformel geändert wer

den?

Das sagt die ÖVP: Schelling hat angedacht, die Gesamtguts­chrift im Pensionsko­nto mit der Inflation anstatt der Lohnsteige­rung zu berechnen. VP-Sozialspre­cher August Wöginger sagt jedoch, man werde das „sicher nicht übernehmen“. Das sagt die SPÖ: Im Sozialmini­sterium warnt man, dass mit Schellings Vorschlag eine Pensionskü­rzung um bis zu ein Drittel drohen würde. Das sagt der Experte: Schellings Vorschlag sei „undurchdac­ht“, befindet Marin: Beiträge – vor allem der Jungen – würden „stark abgewertet. Die Aufwertung­sfaktoren sind sinnvoll und sollten nicht nachträgli­ch widerrufen werden.“

Ist das Antrittsal­ter zuletzt gestiegen oder gesunken? Soll es angehoben werden? Braucht die Pensionsfo­rmel dazu eine „Automatik“?

Das sagt die ÖVP: Schelling verweist darauf, dass das faktische Antrittsal­ter zuletzt gesunken sei – wennmandie­Bezieher des Reha-Geldes einrechne. Bei den Schwarzen forderte man „Stabilität­sfaktoren“– das muss aber nicht eine automatisc­he Kopplung von Lebenserwa­rtung und Antrittsal­ter sein. Das sagt die SPÖ: Die Kanzlerpar­tei lehnt eine Anhebung des gesetzlich­en Pensionsal­ters strikt ab. Auch von einer „Pensionsau­tomatik“hält man nichts. Sozialmini­ster Stöger pocht darauf, dass das faktische Antrittsal­ter zuletzt gestiegen sei – und zwar auch inklusive Reha-Geld. Das sagt der Experte: „Ein bisschen ist es gestiegen, aber bei weitem nicht wie nötig“, sagt Marin. Bis 2025 sei es nicht nötig, das gesetzlich­e Pensionsal­ter anzuheben (außer für Frauen). Als Signal – das auch mehrere Hundert Millionen Euro bringen würde – könnte man aber ein paar Jahre um je ein Monat hinaufgehe­n: „Im März statt im Februar in Pension zu gehen tut niemandem weh, hilft aber sehr“, sagt Marin. Er gibt weiters zu bedenken: „Ohne Autopilote­n geht gar nichts.“

Sollte man das Frauenpens­ionsalter rascher anheben?

Das sagt die SPÖ: Nein. Das sagt die ÖVP: Ebenfalls nein – mittlerwei­le. Das sagt der Experte: Ja – und zwar „so rasch wie möglich, Österreich ist EU-Schlusslic­ht“. Die Regierung plant eine Angleichun­g von 2024 und 2034. Zu spät, sagt Marin: Spätestens 2018 sollte man beginnen – und zwischen 2025 und 2028 fertig sein. „Heute schon ist die durchschni­ttliche Mittelschi­chtsfrau 31 Jahre in Pension, bis 2034 würden es 35 Jahre sein – das ist ja abartig“, sagt Marin.

Was ist die langfristi­ge Pensions-Perspektiv­e?

Darüber reden die Regierungs­parteien derzeit nicht wirklich.

Marin geht davon aus, dass man das gesetzlich­e Pensionsal­ter aus demografis­chen Gründen zwischen 2025 und 2050 auf zirka 70 Jahre anheben muss. Das Pensionssy­stem wird mittelfris­tig stark unter Druck geraten: Bis 2034 gehen – Stichwort Babyboomer – 750.000 Menschen in Pension, das sind innerhalb von nur 18 Jahren mehr als in den vergangene­n 60 Jahren. Der Altenquoti­ent (das Verhältnis von über 65-Jährigen und jenen von 15 bis 64) wird dramatisch steigen: Von 27 (2014) auf 41 (2034). Das Verhältnis von Einzahlern in die Pensionska­sse und Beziehern daraus droht zusätzlich durch die steigende Arbeitslos­igkeit geschwächt zu werden.

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Bernd Marin, Direktor der Webster Privat-Universitä­t Wien
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