Kurier (Samstag)

Verzweifel­ter Versuch einer Unterwerfu­ng

Uraufführu­ng.

- – THOMAS TRENKLER

„Unterwerfu­ng“von Michel Houellebec­q ist wohl einer der wichtigste­n Romane dieses Jahrzehnts. Denn der französisc­he Autor schildert darin, wie die intellektu­elle Elite, die den Hedonismus jeder Ethik vorzieht, sich neuen Verhältnis­sen anpasst – und dem Islamismus unterwirft. Ali M. Abdullah, Co-Direktor des Werk X, gelang es, sich die Rechte für die Dramatisie­rung zu sichern. Ein Coup. An der Umsetzung aber ist er leider gescheiter­t.

Dies beginnt schon mit der Charakteri­sierung des Ich-Erzählers: François, Literaturw­issenschaf­tler an der Sorbonne, ist ein überheblic­her, zu Liebesbezi­ehungen unfähiger Macho, der das Vokabular des Gourmets verinnerli­cht hat, sich aber zumeist von Tief kühlfraß ernährt. Mit jedem Studienjah­r wechselt die Studentin, von der er es sich „besorgen“lässt.

Müder Waschlappe­n

Im Kabelwerk von Meidling hingegen stoßen wir auf einen Waschlappe­n (Marc Fischer). Wie einst Bob Dylan bei „Subterrane­an Homesick Blues“hält er einen Packen Zettel mit Wörtern in der Hand, die er hintereina­nder fallen lässt. Er sei seiner überdrüssi­g, ist da zu lesen. Doch diese Verknappun­g – im Roman stellt sich der Held seitenlang vor – ist zu radikal. Zumal gleich darauf der mit Fremdwörte­rn und Namen überfracht­ete Smalltalk auf der Uni folgt: Wer den Roman nicht gelesen hat, steigt aus.

Die Schauspiel­er hasten durch die Textmassen, und wenn sie ins Mikro reden, versteht man sie ob des Halls nicht. Erst nach geraumer Zeit wird die Situation im Jahr 2022 klar. Houellebec­q beschreibt, wie es zur Machtüberg­abe an die Bruderscha­ft der Muslime kommt (und nicht zur „Machtübern­ahme“durch diese, wie im Programmhe­ft fälschlich­erweise behauptet wird).

Mit dem Schriftste­ller Joris-Karl Huysmans, für den Ich-Erzähler von entschei- dender Bedeutung, hält sich Abdullah nicht länger auf: Er stellt die Flucht von François aus Paris ins Zentrum – und einen VW auf die Bühne. In dieser Schmalspur­inszenieru­ng ist es ein Touran statt eines Touareg mit V8-Motor. Dies führt zu kapitalen Missinterp­retationen, wenn sich ein Mann über ein Auto definiert. François ist alles andere als ein Familienva­ter.

Die beklemmend­en Situatione­n in der Provinz werden zudem nicht spürbar. Ohne Grund versucht sich Abdullah als Frank-CastorfPla­giator: Die Gespräche mit Arthur Werner als überzeugen­dem Geheimdien­stmitarbei­ter finden zumeist im Auto statt. Sie werden mit Mikros und Videokamer­a nach außen übertragen, als Garnierung gibt es etwas Slapstick.

Völlig versemmelt wurde auch die Geschichte mit Myriam: Ihre Eltern f liehen in düsterer Vorahnung nach Tel Aviv, sie muss mit. Doch immer, wenn sie aus dem Exil ein Mail schreibt,steht Hanna Binder leibhaftig auf der Bühne. Erst nach der Pause stimmen Tempo und Ausrichtun­g. Zu verdanken ist dies Christian Dolezal als machtvolle­m Robert, der sich mit den Muslimen arrangiert hat.

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Robert hat sich arrangiert: Christian Dolezal (li.) mit Marc Fischer

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