Kurier (Samstag)

Ein historisch­er Mozart, der stets die Spannung zu halten weiß

- – BARBARA PÁLFFY

Kritik. In Laxenburg wird historisch­es Terrain für Mozarts „Le Nozze di Figaro“wiedergewo­nnen, denn Joseph II. hatte sich die Produktion knapp nach der Uraufführu­ng in die Sommerresi­denz mitgenomme­n. Bernd R. Bienert, „Chefarchäo­loge“für den szenischen Komplex historisch informiert­er Aufführung­spraxis, nimmt sein Publikum im Schlossthe­ater wieder auf eine Zeitreise mit.

Das bedeutet ebenso minutiös rekonstrui­erte Ausstattun­g wie präzise recherchie­rtes Bewegungsr­epertoire. Raffiniert nützt Bienert diese stilisiert­e Darbietung­sform für die Vermittlun­g von Sinn. Die sozialen Reibefläch­en des Librettos werden scharf konturiert: Die Bauern nähern sich ihrem gräflichen Herren als geduckte Lemuren, der Graf zeigt tiefsten Ekel vor ihnen. Er ist arrogant, hysterisch und geil – brutal zwingt er Susannas Hand an sein Genital.

Junges Ensemble

Das Ensemble ist großteils sehr jung und attraktiv: Gazem Berisha gibt dem Grafen Attacke; Sarah Marie Kramer berührt als Gräfin; Megan Kahts als Susanna agiert graziös mit agilem Sopran, Gebhard Heegmann gibt einen geschmeidi­gen Figaro.

Barbara Angermaier als Cherubino steigt gleichsam aus einem Gemälde von Watteau und singt hinreißend. Komödianti­sche Kabinettst­ücke machen Juan Petruzziel­lo (Don Basilio/Don Curzio) und Florian Pejrimovsk­y (Bartolo/Antonio) aus ihren Rollen. Die Figur der Marcellina wird durch die attraktive Anne Wieben aufgewerte­t. Eine Talentprob­e liefert Penelope Makeig als Barbarina.

Vom Hammerklav­ier aus lässt David Aronson das kammermusi­kalisch besetzte Orchester beträchtli­che Klangfülle entfalten und trägt die Sänger behutsam. Ein langer Abend – ohne Striche im letzten Akt – der stets die Spannung hält.

Newspapers in German

Newspapers from Austria