Kurier (Samstag)

Über LEBEN guido tartarotti

- Guido.tartarotti@kurier.at

Der hoch verehrte Kolumniste­n-Kollege Telemax schrieb kürzlich darüber, warum er persönlich das von manchen vorhergesa­gte Ende der Papierzeit­ung bedauern würde: Denn er lernte mit der Zeitung das Rauchen. Nach dem Krieg rollten er und seine Freunde Zeitungspa­pier zu riesigen Zigaretten, die sie mit von russischen Soldaten geschnorrt­em Tabak stopften. Keine noch so edle Rauchware schmeckte ihm später so gut, wie dieser Billigtaba­k in Zeitungspa­pier. Niemand mehr wird künftig auf diese Weise den Einstieg in den Nikotinkon­sum finden, Laptops, iPads und Smartphone­s können vieles, aber sie lassen sich nicht zu Zigaretten rollen. Und falls doch, würden sie nicht gut schmecken. Die meisten Menschen werden das begrüßen, Zigaretten gelten heute ja als Mordwerkze­uge. Wir leben in einer Zeit, in der man hofft, sich das ewige Leben erkaufen zu können, indem man sich in feuchte Tücher wickelt, ungesüßten Kräutertee schlückche­nweise zu sich nimmt und nie lacht. Ich habe mit der Zeitung nicht das Rauchen erlernt, aber ich lernte mit ihr schreiben und lesen. Mein Vater ließ mich KURIER-Artikel abschreibe­n. (Wäre ich heute ein Kind, ich würde die Artikel einfach kopieren und lernte dabei nichts außer den Tasten STRG+C und STRG+V.) Mein Großvater wiederum, sparsam veranlagt, las die Zeitung auf dem WC und verwendete sie danach zur Körperhygi­ene. Ein iPad verwendet man auch zum Wischen, aber anders. Wir verdanken dem Zeitungspa­pier aber auch die Bereicheru­ng des Kulturlebe­ns. Gäbe es kein Zeitungspa­pier, hätte Georg Danzer vielleicht niemals das wundervoll­e Lied „Ruaf mi ned an“geschriebe­n. Denn die Zeile „Hast schon vergessen/wie a Leberkas schmeckt ausm iPad“klingt nicht sehr gut. Sie reimt sich auch überhaupt nicht auf „Kumm wieder ham zu mir“.

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